Evelyn Hofer, die grosse Unbekannte

Eine Entdeckung: Dublin, 1967

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Evelyn Hofer ist eine der bedeutendsten Fotografen des 20. Jahrhundert, nur weiß das kaum jemand. Kürzlich hat mich eine Ausstellung in der Berliner Galerie Springer an sie erinnert, und ich besorgte mir einige ihrer Bücher per Internet. Ihre wichtigsten Werke sind Städte-Porträts, unter anderem von London, New York und Dublin.Letzteres möchte ich hier vorstellen.

Vorab: die Bücher haben einen grossen Text-Anteil, in Dublin: A Portrait wurde der Essay von V. S. Pritchett verfasst. Die Abhandlung erfordert sehr gute Englisch-Kenntnisse und, zugegeben, ich habe sie nicht vollständig gelesen.

Evelyn Hofer, geboren 1922 in Marburg an der Lahn, gestorben 2009 in Mexico City, fotografierte „altmodisch“, das heisst mit einer aufwändig zu handhabenden Plattenkamera. Damit erreichte sie eine erstaunliche Spontanität, wie sie mir mit der Technik sonst nur von Max Yavno bekannt ist. Ihre Architekturbilder und Landschaften sind allerdings derart zurückhaltend ins Bild gesetzt, dass man gar erschrocken ist, auf der Abbildung des Royal Hospital zwei Personen zwar klein, aber als deutliche Kontrapunkte zu entdecken.

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Ganz besonders ihre Menschenbilder sind eine Freude. Man wird von jedem Porträt, jeder Gruppe sofort gefangen genommen. Die Fotografien zeugen von einer tiefen Zuneigung, die sich dem Betrachter mitteilt. Evelyn Hofer begegnet ihren Protagonisten respektvoll und dabei warmherzig und zugetan. So zurückhaltend die Menschen abgelichtet wurden, lässt Hofers intensiver Blick dennoch deren persönliche Charakterzüge aufscheinen. Sie sieht das Individuum und gibt ihm die Ehre, vermag aber trotzdem eine Allgemeingültigkeit der Person zu schaffen, darin ausnahmsweise tatsächlich mit August Sander vergleichbar. Da ist der Caretaker, der Küster, sind die Kellner, die Fussballer: Typen ihrer Zeit und dabei Menschen, die aus unserer eigenen Erinnerung zu kommen scheinen, die uns sehr vertraut vorkommen.

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Sollte jemand die zehn schönsten Kinderbilder aller Zeiten benennen wollen, Evelyn Hofers Bild eines etwa siebenjährigen Mädchens gehört dazu – in Farbe aufgenommen in den 1960ern (Hofer war eine frühe Meisterin der Farbfotografie). Es ist rothaarig und sonntäglich gekleidet mit roten Strümpfen, einem Faltenrock, und der Pullover ist pinkfarben. Dazu weisen die Häuser der Strassenkreuzung deutlich auf Nordwest-Europa hin. Das Kind steht da mit ihrem zu grossen Erwachsenen-Fahrrad und schaut uns aufmerksam an, der Blick leicht melancholisch, wenn sowas bei Kindern schon vorkommt. Zu erahnen ist das Glück am eigenen Fahrrad, die Freude über die schönen Kleider. Evelyn Hofer braucht keine Exotik, keine grünen Augen, um ein eindringliches zeitverbundenes und dabei zeitloses Kinderporträt zu machen.

Evelyn Hofer zeigt Stadtbild, Interieurs, Situationen und Porträts der Hauptstadt Irlands nach dem 2. Weltkrieg; vieles mutet sehr viktorianisch an: ein umfassendes Stadtporträt aus versunkener Zeit. Ein Genuss für sich ist die Abbildungsqualität, in der Schweiz von Conzett & Huber im Buchdruck gefertigt, dem Drucker, der für die wunderbaren frühen Du-Hefte zuständig war. Fotografie im Buchdruck verhält sich zum Offset etwa wie Baryt zu Inkjet-Drucken.

Die drei Stadtporträts von Evelyn Hofer in unterschiedlichen Ausgaben: London (1962), New York (1965), Dublin (1967)

Drei der Stadtporträts von Evelyn Hofer in unterschiedlichen Ausgaben: London (1962), New York (1965), Dublin (1967).

  • Titel: Dublin
  • Untertitel: 
  • Bildautor: Evelyn Hofer
  • Textautor: V. S. Pritchett
  • Herausgeber: 
  • Gestalter: (nicht genannt)
  • Verlag: The Bodley Head bzw. Harper & Row
  • Verlagsort: London bzw. New York
  • Erscheinungsjahr: 1967
  • Sprache: englisch
  • Format: 28, 3 x 22,0 cm
  • Seitenzahl: 99 (plus Tafeln)
  • Bindung: Leinen mit illustriertem Schutzumschlag
  • Preis: (antiquarisch)
  • ISBN: -

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