Fassade Köln

Gute Bilder, zu viele Worte

5.0.3

Im vorigen Jahr erschien ein Fotobuch über die Ästhetik von Fassaden in Köln, einer vom Wiederaufbau schwer gebeutelten Großstadt. Der kleinformatige Bildband von Reinhard Matz ist in Kapitel wie „Das eigene Haus“ oder „Baulücken, Brandmauern“ gegliedert, enthält bis auf neun Zeilen editorische Notiz keinen Text und umfasst 256 Seiten. Die Farbfotos hat Matz mit einer handlichen Digitalkamera aus der Perspektive des Flaneurs gemacht. Stürzende Linien, groteske Anschnitte oder ins Bild hineinragende Autodächer wurden bewusst in Kauf genommen, denn Matz entlarvt die gestalterischen Fehlleistungen der Allerweltsarchitektur mit den Mitteln der Allerweltsfotografie. Kacheln, Eternitplatten, tote Fensterhöhlen, seltsame Anbauten, unfassbare Türen aus dem Baumarktsortiment, entsetzlichster Betonbrutalismus, dies alles grinst uns aus Matz’ Pandämonium des architektonischen Schreckens entgegen. Lustig oder witzig ist das auf Dauer nicht, in der Reihung entfaltet sich eine unglaubliche Wucht ernsthaften Verzweifelns an der Zurechnungsfähigkeit von Architekten und Bauherren.

Immerhin, „Ästhetik ist lehr- und lernbar“, so heißt es auf Seite 76 im nunmehr erschienenen Textband, der das Fassadenprojekt von Matz abschließt. Die Fotos in ihrer delikaten Farbigkeit – Schwarzweiß hätte das nicht funktioniert, wie man an den Beispielabbildungen in Band 2 erkennt! – zeigen, wo die Probleme liegen. Hätte es dazu noch einen Textband gebraucht? Dort sind Essays von Literaten, Architekten, Politikern und Künstlern versammelt, die unter dem Eindruck von Matz’ Bildern und einer intimen Ortskenntnis entstanden. Das Buch enttäuscht etwas, denn durch die meisten Texte zieht sich eine gewisse Hilflosigkeit gegenüber den im Foto so prägnanten Zumutungen. Ändern wird sich nichts, Larmoyanz ist fehl am Platz. Lichtblicke sind selten. Dazu gehören die Eindrücke des Kulturdezernenten, psychologiehistorische Anmerkungen zu Fassaden und vor allem die nüchterne, von einem Stadtarchivar stammende Vorstellung des architektonischen Werks eines an sich unbedeutenden Architekten namens Hans Pingel, ein Baumeister, der in den 50er- und 60er-Jahren mit besten Absichten und im Auftrag seiner Kunden so gebaut hat, wie es heute beklagt wird. Spiegel einer misslungenen Kommunikationssituation und überhaupt nicht bühnentauglich ist eines Kabarretisten Spott über einen indisponierten Denkmalpfleger, ein wenig plagiativ (Sasha Stone läßt grüßen!) sind einige „architektursatirische“ Fotomontagen. Ein kleiner, sachlicher Diskurs über bürgerliche Architektur wäre angemessener gewesen als die immer gleiche Leier über die Geschmacklosigkeiten des Kölner Bauens. Und bei allen Vergleichen, denen Matz’ Werk unterzogen wird: Ein Referenzwerk fehlt. Denn es gab schon einmal eine Arbeit, die die Kölner Stadtlandschaft ohne große Worte einer lakonischen Analyse unterzog, nämlich Wilhelm Schürmanns offenbar schon vergessenes Buch „Pegel Köln“.

Fazit: Die Fotos sagen mehr als tausend Worte; Nicht-Kölner können sich den Textband sparen, brauchen aber unbedingt den Bildband als Schule des Sehens, denn Fassade ist überall.

  • Titel: Fassade. Köln
  • Untertitel: Architektur, Straßen, Öffentlichkeit
  • Bildautor: Reinhard Matz
  • Textautor: 
  • Herausgeber: 
  • Gestalter: 
  • Verlag: Emons
  • Verlagsort: Köln
  • Erscheinungsjahr: 2005
  • Sprache: deutsch
  • Format: 
  • Seitenzahl: 256
  • Bindung: Softcover
  • Preis: 14,80 Euro
  • ISBN: 3897053802
  • Titel: Fassade. Köln.2
  • Untertitel: Architektur, Straßen, Öffentlichkeit
  • Bildautor: (Reinhard Matz)
  • Textautor: diverse
  • Herausgeber: Reinhard Matz
  • Gestalter: 
  • Verlag: Emons
  • Verlagsort: Köln
  • Erscheinungsjahr: 2006
  • Sprache: deutsch
  • Format: 
  • Seitenzahl: 160
  • Bindung: Softcover
  • Preis: 12,80 Euro
  • ISBN: 3897054299

Kommentarfunktion geschlossen.