Fotobuch statt Denkmalschutz

In der Nähe des Hamburger Hauptbahnhofs fällt gegenüber den Deichtorhallen ein Gebäudekomplex mit vier Hochhausscheiben auf. Diese sind mit ihren Schmalseiten zur Straße orientiert und durch eine niedrige Ladenpassage miteinander verbunden. Architekt des 1958 fertiggestellten, im Umfeld des historischen Kontorviertels stehenden Komplexes „City-Hof“ war Rudolf Klophaus. Der vorgesehene Abbruch des Kulturdenkmals (vgl. das „Deutschlandhaus“, ebenfalls in Hamburg) führte zu Kontroversen, die (wie üblich) an der Durchsetzung der politisch gewollten Neubebauung nichts ändern werden.

Dessen ungeachtet begannen Nicole Keller und Oliver Schumacher mit einer Fotodokumentation über den City-Hof, die weit über das brave Ablichten von architektonisch Bemerkenswertem oder über eine bloße Abrissdokumentation hinausreicht. Selbstverständlich enthält das Buch im einleitenden Teil einen Rückblick auf die Baugeschichte und am Ende die schriftliche Fassung eines Streitgespräch zwischen einem Beführworter und einem Gegner des Abbruchs.

Den Autoren ging es aber vor allem um die Spuren der Behördennutzung, denn im City-Hof war von Anfang an das Bezirksamt Hamburg-Mitte untergebracht. Porträts der dort Arbeitenden („Personalakten A-Z“) geben Einblicke in ihre persönlichen Beziehungen zu dem Platz, wo sie seinerzeit noch arbeiteten. Ein weiteres Kapitel gibt Einblicke in die Räume externer Mieter, darunter war auch ein labyrinthisches Antiquariat. Im Kapitel „Auszug und Abriss“ kündigt sich das Schicksal des Gebäudes an. Bemerkenswert lakonisch ist das größte Kapitel, die „Bestandsaufnahme“, die von Außen nach Innen gegliedert, das Pflichtteil der fotografischen Gesamtansichten durch eine Kür überraschender Details ergänzt. Noch einen Tick skurriler sind die Motive im separaten Heft Sonderakte, die weitere Dienststellen des Bezirksamtes im Lichtbild vorstellt. Diese nicht im Handel erhältliche Zugabe dürfte ein künftiger Prüfstein für Hamburgensia-Sammler werden, wurde sie doch ausschließlich und in geringer Auflage an Bezirksamtsmitarbeiter abgegeben.

Das Buch ist in vielen Details in Behördenoptik gestaltet: farbige Aktendeckel dienen als „Abgrenzungsblätter“ zu Trennung einzelner Kapitel, der Einbandbezug erinnert an Leitzordner und Bilder werden unter Einbeziehung von Büroklammern und Heftklammern in das Layout eingebunden. Diese sprechende, nie aufdringliche Gestaltungslinie wurde konsequent durchgehalten und zwar so, dass das Buch ohne technische Probleme oder Handarbeit in großer Auflage gedruckt und gebunden werden konnte.

Wenn schon der Denkmalschutz keine Chance haben sollte, für die Erhaltung und Sanierung des Baus zu sorgen, haben es die Autoren mit ihrem originellen, im Übrigen vom Leiter des Bezirksamts herausgegebenen Buch geschafft, der Immobilie ein bleibendes Denkmal zu setzen.