Gurken zwischen den Zehen

Erwin Wurms grandios komische Kunst und Fotografie

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Schon der Name ist ja komisch: Wurm. Erwin Wurm. Nomen est omen. Dieser Name geht eine Symbiose mit der Kunst seines Trägers ein. Keine Schublade ist groß genug, um den Wiener Erwin Wurm da hineinzustecken: Er ist Aktions-, Video- und Performancekünstler, Plastiker, Zeichner und Maler – und nicht zuletzt: Fotograf. Erwin Wurm macht komische Sachen bzw. er lässt andere Sachen machen, die dann meist komisch sind: Einem Bankmanager reicht er vor seinem Geldinstitut zum Beispiel zwei Stangen Spargel. Bedingung ist, dass der Manager eine Minute in seiner selbstgewählten Position mit Spargel verharrt und sich diese in die Nase steckt. Jetzt sieht er aus wie Antje, das Walross, das auch nur noch auf Fotos existiert. Wurm hat Zeit genug, um auf den Auslöser zu drücken und damit diese lebende „One Minute Sculpture“ für die Ewigkeit zu fixieren. Andere Personen steigen für Wurm kopfüber in Mülltonnen, tragen einen Teller über belebte Einkaufsstraßen, beißen in einen Café-Tisch, stecken sich im Restaurant Stifte hinter die Brille oder Gewürzgurken zwischen die Zehen. Kurz, sie entblöden sich auf so grandiose Weise, dass es sofort Kunst ist. Es braucht nur ein Medium, dass die Instruktion erteilt, und dieses Medium ist Erwin Wurm.

In Erwin Wurms Kunst geht es eigentlich immer um die Tücke des Objekts, um den Wahnsinn, den die Dingwelt evoziert – das lässt ihn als geistigen Verwandten von Stan und Ollie erscheinen. Wurm löst die Dinge aus ihren gewohnten Zusammenhängen, entledigt sie ihrer ursprünglichen Funktion, kombiniert sie neu, benutzt sie anders als vorgesehen, und bringt damit unsere Wahrnehmung durcheinander. Der subtile Humor ist Wurms Sache nicht. Er stapelt in Hotelzimmern das karge Meublement übereinander und zieht so viele Kleiderschichten an, dass er aussieht wie das Männchen von Michelin. So definiert man die Plastik völlig neu. In der Serie „Instructions on How to Be Politically Incorrect“ spuckt eine hübsche Frau einer anderen in die Suppe, oder ein Herr steckt seinen Kopf in die Bluse einer Dame, die – davon unbeeindruckt – sich im Restaurant einfach weiter mit ihrem Gegenüber unterhält. Auch auf den Teppich zu pinkeln ist nicht schön. Das gilt nicht nur für Hunde.

Wurm hält all diese Inszenierungen des Absurden mit der Kamera fest, und der Band „I Love My Time, I Dont’t Like My Time“, der aus Anlass der ersten großen Wurm-Retrospektive in den USA entstand, versammelt in einer schönen Übersicht seine wichtigsten Arbeiten der vergangenen fünfzehn Jahre. Diese – seine – Fotos haben den Charme des Dilletantischen, Beiläufigen. Er ist sowohl spiritus rector als auch der Dokumentarist des flüchtigen, grassierenden Wahnwitzes. Alles wirkt, als wäre Wurm gerade vorbeigeschlendet die Kamera im Anschlag: Der große Fotoreporter Erwin Wurm, dem steten Aberwitz auf der Spur. Dass er alles perfekt arrangiert und inszeniert hat, merkt man gar nicht und ist auch völlig unerheblich.

  • Titel: I Love My Time, I Don't Like My Time
  • Untertitel: Hatje Cantz
  • Bildautor: Erwin Wurm
  • Textautor: Geraldine Barlow, René de Guzman, Ralph Rugoff
  • Herausgeber: Berin Golonu, Yerba Buena Center for the Art
  • Gestalter: 
  • Verlag: Hatje Cantz
  • Verlagsort: Ostfildern
  • Erscheinungsjahr: 2004
  • Sprache: englisch
  • Format: 
  • Seitenzahl: 384
  • Bindung: Hardcover
  • Preis: 39,80 Euro
  • ISBN: 3775715479

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