New York gehört neben Paris, Tokyo und vielleicht Berlin zu den wenigen Städten, der gleich mehrere Fotobücher gewidmet wurden, die zu Inkunabeln des Genres wurden. Es lag auf der Hand, dass man sich mit dieser Auffälligkeit irgendwann näher beschäftigen würde. Das ist jetzt passiert, eine Ausstellung in Granada präsentiert 48 Fotobücher über New York. Dazu ist auch ein schöner Katalog erschienen, der von zwei Aufsätzen von Horacio Fernandez und Jeffrey Ladd eingeleitet wird.
Das Buch fällt zunächst durch den „sprechenden“ Einbandentwurf auf. Die vorgestellten Bücher wurden wie im Regal stehend im einheitlichen Maßstab fotografiert und Rücken an Rücken aufgereiht. Die unterschiedlichen Buchhöhen wirken jetzt wie eine Skyline. Wolkenkratzer bilden die Klammer zur Abgrenzung des Themas: Die Reihe beginnt 1931 mit der Festschrift zur Eröffnung des Empire State Building und endet 2001 mit dem Terroranschlag auf das World Trade Center, über den es einen dicken Band mit Fotos von Augenzeugen gibt. Dazwischen findet man Arbeiten vieler Autoren, die man hier erwarten durfte (Mario von Bucovich, Berenice Abbott, William Klein, Walker Evans, Helen Levitt, Daido Moriyama, Danny Lyon, György Lörinczy, Ken Schles etc.). Es werden aber auch etliche eher unbekannte Werke vorgestellt, zum Beispiel der faszinierende Band Metropolis aus dem Jahre 1934. Bruce Davidsons Bildessay über die 100th Street wird nicht in Form des berühmten Buches präsentiert, sondern in Gestalt des vorausgehenden monothematischen du-Heftes. Überraschenderweise sind gleich zwei Werke aus der DDR mit dabei, und zwar von Karol Kallay (1967) und Arno Fischer (1988), beide erschienen im Verlag Volk und Welt. Keine Überraschung ist, dass das 1966 in Prag bei Mlada Fronta herausgekommene, außergewöhnlich gestaltete New-York-Buch mit Fotos von Eva Fukova, Marie Sechtlova und Milon Novotny Aufnahme gefunden hat. Kaum verständlich ist allerdings, dass der das Bild der Stadt wie kein zweiter prägende Andreas Feininger nicht vertreten ist – zumindest sein erstes Buch über New York aus dem Jahre 1945 wäre für mich ein sicherer Kandidat gewesen. Das gilt auch für den großformatigen New-York-Klassiker von Reinhart Wolf (1980). Wenn man ganz mutig gewesen wäre, hätte auch das New-York-Portrait des wegen seiners entfesselten Einsatzes von Filtern und anderen Gestaltungsextremen auf Amateurfotografen einflussreichen Francisco Hidalgo (1980) eine Chance zur Wiederentdeckung verdient. Aber es ist müßig, Lücken zu suchen – das Buch hätte auch mit 150 aufgenommenen Titeln noch solche gehabt.
Jedes Buch wird in einem jeweils eine Seite langen Text inkl. Bibliographie und mit einer, drei, fünf, oder, für William Kleins Opus magnum, sieben Bildseiten vorgestellt. Bei zwei Büchern wurde, sei es aus inhaltlichen Gründen (weil der Einband interessanter ist als der Umschlag) oder aus Platzmangel, darauf verzichtet, den Schutzumschlag zu zeigen.
Der angenehm handliche, nüchtern gestaltete, zudem preiswerte Katalog bringt im Rahmen von sieben Jahrzehnten Fotobuchgeschichte und der straffen Auswahl von 48 Beispielen nicht nur viele Facetten einer Weltstadt zum Vorschein, sondern zeigt auch, wie groß die Spannbreite der gestalterischen und narrativen Möglichkeiten des „Cities Photobooks“ ist.
- Titel: New York in Photobooks
- Untertitel:
- Bildautor: (diverse)
- Textautor: Horacio Fernandez, Jeffrey Ladd und andere
- Herausgeber: Horacio Fernandez für das Centro José Guerrero (Granada)
- Gestalter: grafica futura
- Verlag: RM
- Verlagsort: Barcelona/Mexico
- Erscheinungsjahr: 2016
- Sprache: englisch
- Format: 24,0 x 16,5 cm
- Seitenzahl: 240
- Bindung: Klappenbroschur
- Preis: ca. 35 Euro
- ISBN: 978-84-16282-74-6