Sehenden Auges

Der Geschichtenerzähler Thomas Steinert ist wieder da

Steinert_b

Bitte erlauben Sie mir, dass diese Buchvorstellung zum kritiklosen Dokument meiner Begeisterung geraten wird (man könnte natürlich an dem vorliegenden Buch die übertrieben sparsame  Art der Präsentation…. nein, lassen wir das). Thomas Steinert (Jg. 1949) gehörte bis zum Erscheinen seines ersten Buches „Connewitzer Welttheater“ (2006) zu den großen Unbekannten unter den deutschen Fotografen. Nach seinem Studium an der Leipziger Hochschule hatte der Nonkonformist in der DDR Probleme, seine phantasievollen, immer eine ganze Geschichte erzählenden Aufnahmen aus dem oft genug grotesken Alltag der Republik zu publizieren und von seiner Kunst zu leben. Nachdem das Buch vergriffen war, eine zweite Auflage zwar angekündigt, aber nicht realisiert wurde und das Welttheater-Buch antiquarisch inzwischen nur noch zu Höchstpreisen zu bekommen ist, drohte Steinert erneut ins Abseits zu geraten. Zum Glück gibt es jetzt eine neue Monografie, die Steinerts unglaublichen Arbeiten in der Diskussion hält. Das Buch ist schlicht gestaltet, ein quadratisches Bild pro Seite mit Bildtext deutsch/englisch ergibt immerhin eine Folge erhellender Doppelseiten, und es ist preiswert.

Drei, vier lakonische Sätze aus dem autobiografischen Nachwort des Fotografen mögen andeuten, was den Betrachter dieses Buches erwartet: „An einem lichten Frühsommertag des Jahres 1983, die Feuerwehr löschte gerade einen Übungsbrand auf dem Dach der Hauptpost, näherte sich dem Stadtzentrum aus Richtung des Vorwortes Connewitz ein großer Schwarm kleiner Vögel. Es waren Feldlerchen, wie im Protokoll des Ornithologischen Vereins nachzulesen ist, eine Vogelart, die der wohlhabenden Leipziger Bürgerschaft über Jahrhunderte und fast bis zur völligen Ausrottung als Delikatesse gedient hatte…“ Steinert fotografiert, wie er schreibt. Zur eigenen Laufbahn: „Vom Prorektor 1977 an meinen Heimatort zurückverwiesen fand ich mit einer Note 3 für meine Diplomarbeit keine Anstellung. Ohne Wohnung und Geld musste ich Freiberufler werden… Mein Dasein fristete ich mit Aufträgen, für die sich meine Berufskollegen zu schade waren… Mit der Wiedervereinigung Deutschlands lösten sich die Quellen meines Lebensunterhalts in Nichts auf und all meine mühsam erworbene Fototechnik verwandelte sich über Nacht in Schrott.“ Was für eine Karriere!

Eine der von Steinert auftragsweise aufgenommenen Ansichten fand sich 2001 zufällig in Martin Parrs Buch „Langweilige Postkarten“ wieder. Sollte das der einzige, noch dazu unfreiwillige und wenig schmeichelhafte Kontakt des grandiosen Steinert mit der großen weiten Welt der Fotokunst gewesen sein? Die Zweisprachigkeit des neuen Buches deutet an, dass der Fotograf für weltweite Aufmerksamkeit gerüstet ist. Nach wie vor wünsche ich Steinert, dass ihm und seinem Werk die gebührende Anerkennung endlich zuteil wird!

  • Titel: sehenden auges - eyes wide open
  • Untertitel: Fotografie aus Leipzig 1969-1996 - Leipzig Photography 1969-1996
  • Bildautor: Thomas Steinert
  • Textautor: Gerhard Mack, Thomas Steinert
  • Herausgeber: 
  • Gestalter: 
  • Verlag: Mitteldeutscher Verlag
  • Verlagsort: Halle
  • Erscheinungsjahr: 2011
  • Sprache: deutsch, englisch
  • Format: 
  • Seitenzahl: 160
  • Bindung: ilustriertes Hardcover
  • Preis: 24 Euro
  • ISBN: 978-3-89812-761-5

Kommentarfunktion geschlossen.