Hans-Michael Koetzles opulentes Übersichtswerk „Fotografen A-Z“ ist in jeder Hinsicht außergewöhnlich. Als Überblickswerk über die Fotografie seit 1900 wird es Freude bereiten. Und um es gleich zu sagen: Es wird auch Enttäuschung hervorrufen. „Fotografen A-Z“ bietet Altes und Neues, zugleich weniger, mehr und (textlich) überwiegend dasselbe wie das vor neun Jahren ebenfalls von Koetzle verfasste „Lexikon der Fotografen – 1900 bis heute“. Dabei vereinigt „Fotografen A-Z“, und das ist die auffälligste Neuerung, das Konzept eben dieses Lexikons konsequent mit Martin Parrs „The Photobook“, indem die lexikalischen Einträge nun ausschließlich mit Faksimiles von Fotobüchern (Umschläge, Doppelseiten) illustriert sind. Herausgekommen ist ein seriöses Nachschlagewerk, das die Vorzüge übersichtlicher und fundiert aufbereiteter Informationen mit dem repräsentablen Anspruch des Coffee Table Books verbindet.
Rund 400 Fotografen aus aller Welt werden vorgestellt, 150 weniger als in dem Vorgängerband. Dabei hat Koetzle nicht nur eine Reduzierung vorgenommen. Seine Auswahl hat er vielmehr auch durch neue Einträge ergänzt. Hinzugekommen sind Fotografen wie z. B. Hugo Brehme, William Claxton, Josef Heinrich Darchinger oder Terry Richardson, um nur einige wenige zu nennen. Darüber hinaus gibt es Neuentdeckungen wie den außerhalb Spaniens eher unbekannten Katalanen Francesco Català-Roca (1922-1998). Auch diverse japanische Fotografen der Gegenwart, die Koetzle zuvor völlig ausgespart hatte, finden nun Eingang. Der Verlag wirbt mit der Behauptung, das Buch umfasse „alle bedeutenden Fotografen der letzten hundert Jahre – vor allem jene, die durch wichtige Veröffentlichungen oder Ausstellungen hervorgetreten sind oder einen bedeutenden Beitrag zur Kultur des fotografischen Bildes geleistet haben.“ Über Bedeutung ließe sich trefflich streiten, zumal bei jüngeren Künstlern, deren langfristige Relevanz sich noch erweisen muss. Zweifellos hätten es sicherlich auch Künstler wie Anna und Bernhard Blume, Heinrich Riebesehl oder Michael Ruetz eine Aufnahme verdient.
Jedem Fotograf wird diesmal eine Einzel- oder Doppelseite gewidmet. Die nach wie vor überschaubaren Texte gliedern sich in Hauptartikel, Bibliografie und Ausstellungsübersicht. Hinzu kommt ein Zitat, das prägnant die Besonderheit des jeweiligen Künstlers hervorhebt. Die Kurzbiografien waren bereits weitgehend im „Lexikon der Fotografie“ enthalten. Koetzle hat sie zumeist unverändert übernommen, die Zitate z. T. allerdings ausgetauscht. Bibliografie und Ausstellungsübersicht sind auf den neuesten Stand gebracht. Die Lesbarkeit hat sich leider verschlechtert. Die Texte sind in sehr kleinem Schriftgrad und in zu breiten Spalten gesetzt, Bibliografie und Ausstellungshinweise in dunkelgrau und nochmals verkleinert. Lesen macht da kein Vergnügen. Anschauen und blättern dafür umso mehr. Der Druck ist gut, die großzügige Gestaltung höchst abwechslungsreich und lädt zum Stöbern und Entdecken ein. Durch die konsequente Abbildung von Büchern und Magazinseiten bietet „Fotografen von A-Z“ somit auch einen ausgezeichneten Überblick über unterschiedliche Ansätze und Ausprägungen buchkünstlerischer Gestaltung im 20. und beginnendem 21. Jahrhundert.
Unterm Strich bleibt, dass Koetzles neues Lexikon sein altes nicht ersetzt. Wer sich ernsthaft mit Fotografie beschäftigt, sollte versuchen, beide in Reichweite haben. Das ältere „Lexikon der Fotografen“ ist leider nur noch antiquarisch zu bekommen, was übrigens auch für Reinhard Mißelbecks „Prestel-Lexikon der Fotografen“ gilt. Es ist ebenfalls im Jahr 2002 erschienen und reicht bis zu den Anfängen der Fotografie zurück.
- Titel: Fotografen A-Z
- Untertitel:
- Bildautor:
- Textautor: Hans-Michael Koetzle
- Herausgeber:
- Gestalter: Sense/Net
- Verlag: Taschen
- Verlagsort: Köln
- Erscheinungsjahr: 2011
- Sprache: deutsch
- Format:
- Seitenzahl: 444
- Bindung: illustriertes Hardcover
- Preis: 49,99 Euro
- ISBN: 978-38365-1107-0
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