Verlust der Kindheit

Achim Lippoths irritierende Fotoserien

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Ohne die Kinder wäre Achim Lippoth vielleicht nur einer von vielen Modefotografen. Ja, durch seine Arbeit mit Kindern werden Lippoths Bilderserien eigentlich erst interessant. Dadurch aber, dass der Kölner Fotograf die Kleinen durchweg in „erwachsene“ Kontexte stellt, sie wie Erwachsene auftreten oder wie Erwachsene agieren lässt, irritieren die Bildserien in diesem Band. Seine jungen Protagonisten scheint Lippoth wie ein Regisseur auf ihre jeweiligen Rollen einzuschwören. Wer jemals mit Kindern ernsthaft zu tun hatte, weiß wie schwer das ist. Diese Kinder gehen aber in den ihnen zugedachten Rollen auf, sie haben sie verinnerlicht und stellen sie überzeugend und ernsthaft dar.

Lippoth erweist sich als Kenner der Fotografiegeschichte, ja der Kunst überhaupt, die er reflektiert und unter Anspielung auf alte und neue Referenzen neu interpretiert. In „Byalakuppe“ (2002), eine Reihe über buddhistische Mönche, arbeitet er mit extremen Kontrasten und spielt damit (auch) auf die Tradition des Hell-Dunkels in der Malerei des 17. und 18 Jahrhunderts an. „Together“ (2004) verweist mit den harten Konturen und der blitzblanken Heroenästhetik sowohl auf Leni Riefenstahl als auch auf die Sportfotografie des sozialistischen Realismus, während „Colours of Cologne“, wo Kinder in Karnevalsuniformen vor einem immer gleichen pastellfarbenen Hintergrund posieren, in der Tradition der frühen Atelierfotografie steht. Letztlich kreisen die in diesem Band vorgestellten Serien alle um ein Generalthema: den Verlust der Kindheit in einer von Erwachsenen gestalteten Welt. Lippoth thematisiert Drill, Anpassung, Unterwerfung, Orientierungslosigkeit, soziale Verwahrlosung. Immerhin, am Ende steht die blanke kindliche Zerstörung.

Das alles ist freilich hoch ästhetisiert. Das überwältigt den Betrachter zwar visuell, ermöglicht ihm aber auch Abstand. Vordergründige Anklage oder gar blanke Erzeugung von Entrüstung ist Lippoths Sache nicht. Die superbe Lichtregie, die alle Bewegungen einfriert, verleiht seinen Bildschöpfungen etwas gewollt Steriles und eine absolute Künstlichkeit, die nicht auf die Emotion, sondern auf den Intellekt zielt. Daher sind die Referenzen, Anspielungen auf fotografische Genres und der technische Aufwand keine bloßen Mätzchen. Ganz im Gegenteil, sie sorgen für die nötige Irritation, die Lippoths Bildserien zu etwas Besonderem machen.

 

  • Titel: Pictures
  • Untertitel: 
  • Bildautor: Achim Lippoth
  • Textautor: Gabriele Holthuis, Thomas Wiegand
  • Herausgeber: Gabriele Holthuis, Ulrike Lehmann
  • Gestalter: 
  • Verlag: Kehrer
  • Verlagsort: Heidelberg
  • Erscheinungsjahr: 2007
  • Sprache: deutsch, englisch
  • Format: 
  • Seitenzahl: 129
  • Bindung: Hardcover, Schutzumschlag
  • Preis: 48 Euro
  • ISBN: 9783936636963

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