Von Angst, Bären und rumänischen Sachsen

Normalerweise suchen wir uns die Bücher für unseren Blog selbst. Zuweilen treffen aber auch unverlangt und unverhofft Fotobücher ein, die wir gar nicht auf dem Schirm hatten. Wie zum Beispiel diese drei Bände, die im Folgenden knapp vorgestellt werden sollen.

Ute Behrend thematisiert in Bärenmädchen genau das, was schon der Titel verspricht: Mädchen und Bären (und noch ein paar andere Tiere). Vor allem im Wald sind junge Frauen als Angehörige eines fiktiven Indianerstamms inszeniert, dazu bedeutungsschwangere Naturaufnahmen sowie immer wieder ausgestopfte oder reale Tiere. Dies alles sehr ernsthaft und völlig frei von konzeptioneller Ironie, aber das musste wohl auch so sein. Wer sich also für die Visualisierung weiblich-adoleszenter Lebenswelten interessiert, liegt mit diesem Buch richtig. Oder, wie es im Textanhang auf S. 106 heißt: „Als Gegenentwurf zu den durch Gesellschaft und Medien geprägten Stereotypen sexualisierter Identifikation bewegen sich die Bärenmädchen von Ute Behrend in einem archetypisch an der Natur orientierten Umfeld und Schutzraum, der sie isoliert und dabei poetisch zeitlos im Vergleich zu den gängingen Mustern der Sozialisation erscheinen lässt.“ Damit wird klar: Ich gehöre nicht zur Zielgruppe dieses Buches.

Das zweite Buch hat ein Cover, das durch die spiegelnde, golden-purpur-blau irisiernde Umschlagfolie praktisch unfotografierbar ist, was perfekt zum Thema und Titel ANGST passt. Angst ist ein diffuses Gefühl, das schon immer Künstler inspirierte, so jetzt auch Peter Hauser. Der Fotograf bediente sich diverser Motive aus Umwelt und Gesellschaft, die er unter diesem Aspekt kontextualisierte. Es gibt undurchdringliche Wälder, einen bedrohlich nahen Schatten eines Flugzeugs, undefinierbare Strukturen, die an Viren denken lassen, brutalistische Archikturfragmente, Überwachungskameras, Insektenspray, Schlaftabletten, instabile Straßen und Stillleben zwischen Lebensmittel und Verkehrsunfall. Das Buch ist auf den ersten Blick ein Rätsel, das aufgrund des Titels, der Bildauswahl und der ganzen Aufmachung aber lösbar ist. Angst ist eine universelle Erfahrung, deren Visualisierung Hauser in überzeugender Weise gelungen ist.

Das dritte Buch Siebenbürgen süße Heimat stammt von Thomas Heller und thematisiert die Siebenbürger Sachsen, eine auf Einwanderung aus Sachsen zurückgehende Volkgruppe in einer Karpatenregion Rumäniens. Der Fotograf porträtierte etliche, meist ältere Angehörige dieser Gruppe in ganzfigurigen, quadratischen Schwarzweißfotos. Die Personen werden alle namentlich und mit ihrem Wohnort vorgestellt, wobei die deutschen Nachnamen auffallen. Die Bildgestaltung folgt der Tradition August Sanders, die Porträtierten stehen oder sitzen vor oder in ihren Häusern, haben oft Attribute dabei, die auf Hobbys oder Berufe deuten, und strahlen ingesamt eine Ruhe und Gelassenheit aus, wie sie typisch für zeitlos treffende Porträts ist. Das Buch ist passend dazu unaufgeregt und schlicht gestaltet, das ausführliche Nachwort von Thomas Schulz informiert über das Schicksal der Sachsen in Rumänien.