Photographische Archive im künstlerischen Kontext

Online-Symposium vor dem Hintergrund der Gründung eines Bundesfotoinstituts

Titel

Bald wird die Katze aus dem Sack gelassen: Wo wird das zu gründende Bundesfotoinstitut gebaut, in Essen oder Düsseldorf? Zu dieser für Deutschland längst überfälligen Initiative veranstalteten die DGPh und die SK Stiftung in Köln am 25. und 26.2.2021 ein zweitägiges Symposium, bei dem vor allem zwei Dinge deutlich wurden: Es ist völlig egal, in welcher Stadt das Institut etabliert wird (solange eine langfristige und auskömmliche Finanzierung jenseits der reinen Baukosten sichergestellt wird), und es ist nicht egal, mit was sich das Institut beschäftigen wird. Die Probleme fangen schon mit dem Namen an, denn ein „nationales“ Fotoinstitut klingt gar nicht gut – etwas mit „Bundes“ wäre schon besser – was selbstvertändlich die Fotografie der DDR ebenso mit einschließen muss wie die Fotografie aus Kaiserreich, Weimarer Republik und Nationalsozialismus. Dabei wäre darauf zu achten, das die „deutsche“ Fotografie immer im internationalen Kontext zu sehen ist.

Thomas Seelig, Stefanie Grebe, Linda Conze, Adelheid Comenda, Gebriele Conrath-Scholl, Claudia Dichter (von oben links nach unten rechts)

Thomas Seelig, Stefanie Grebe, Linda Conze, Adelheid Comenda, Gebriele Conrath-Scholl, Claudia Dichter (von oben links nach unten rechts)

Boris Becker, Joachim Brohm, Roman Bezjak, Beate Gütschow, Katja Stuke, Claudia Dichter (von oben links nach unten rechts)

Boris Becker, Joachim Brohm, Roman Bezjak, Beate Gütschow, Katja Stuke, Claudia Dichter (von oben links nach unten rechts)

Das mögliche Aufgabenspektrum der neuen Bundesinstitution könnte von einem Agieren als Knotenpunkt eines Netzwerkes in Sachen Bewahren, Ausstellen und Erforschen von Fotografie bis hin zu ganz konkreten Aufgaben in den Bereichen genau dieser  Themen reichen. Könnten dort nicht Nachlässe archiviert und aufgearbeitet werden? Wenn ja, wer entscheidet über die Prominenz des aufzunehmenden Materials? Sollen eigene Ausstellungen und Publikationen erstellt werden? Sollen Standards für die digitale Aufarbeitung von Bildbeständen gesetzt werden (Digitalisate, Webseiten)? Wie geht man mit Problemen der Archivierung und Restaurierung von analogen Konvoluten um? Wird man dort im Umgang mit fotografischem Material ausbilden, wird man dort Empfehlungen erarbeiten, die für Museen, Archive und andere als Maßstab dienen können?

Ein Objekt für das Institut? Fotopapierfächer von Orwo, betrifft: DDR, Materialkunde, Motivbereich Sozialismus.

Ein Objekt für das Institut? Fotopapierfächer von Orwo, betrifft: DDR, Materialkunde, Motivbereich Sozialismus.

Es wurde deutlich, dass es noch nicht einmal ein Glossar der Techniken und Zustände gibt, dessen Erarbeitung vielleicht eine der ersten Aufgaben des Instituts wäre. Wie weit reicht das Interesse des Instituts, von der Daguerreotypie bis hin zu Werken, die nur im Internet bestehen? Sichert man auch fotografische Techniken und die dazu nötigen Geräte und Materialien, wenn ja, in welcher Form? Eine Frage, die offenbar großes Interesse findet, vermutlich, weil es um hohe Marktwerte geht, ist, ob man fotografische Kunstwerke nach Verbleichen rekonstruieren und erneuern darf und wie daran das neue Institut mitwirken soll oder kann. Überhaupt wäre zu fragen, um welche Genres der Fotografie es gehen soll, um museumstaugliche Fotokunst, um dokumentarische Projekte, Werbung, Bildjournalismus, gar um Amateurfotografie. Am Beispiel von ca. 15000 Einzelblättern mit Kunstreproduktionen, die die Dornacher Firma Braun in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts aufgenommen und vertrieben hatte, zeigten Sonja Feßel und Franziska Scheuer von Foto Marburg, welch Aufwand nötig ist, um einen Nachlass so aufzuarbeiten, dass man damit sowohl arbeiten kann als auch dass er für die Zukunft so gut wie möglich erhalten bleibt. Dieser Vortrag zeigte, dass die seriöse Bearbeitung von Nachlässen und Fotografenarchiven einen immenses Engagement erfordert, der weit über die Vorstellung der Geldgeber eines Bundesinstituts hinausgehen könnte.

Eine andere Frage wurde nur am Rande und vor allem von Katja Stuke angesprochen, die sich für ihren Beitrag vor eine eindrucksvolle Bücherwand gesetzt hatte: Wie wird das künftige Institut mit einem in den letzten Jahren zunehmend sowohl von der Wissenschaft als auch von den Fotografen beachteten Thema umgehen, dem Fotobuch? Immerhin ist dieses, wie auch immer man es definiert, ebenso alt wie die Fotografie selbst und begleitet das Medium nicht minder kontinuiertlich wie die Frage nach Techniken und Haltbarkeit. Als Grundausstattung des Instituts müsste eine Referenzbibliothek zu Technik, Geschichte und Gegenwart der Fotografie bzw. des Fotobuchs aufgebaut werden.

Bildschirmfoto 2021-02-26 um 14.21.29

Das Symposium sollte eigentlich schon im Dezember vorigen Jahres stattfinden, musste aber aufgrund der Pandemie verschoben und neu organisiert werden. Die Online-Version hatte bis zu 190 Besucher gleichzeitig und den Vorteil, dass man sich die Reise nach Köln sparen konnte. Der Ablauf war perfekt organisiert, die Moderatorin Claudia Dichter agierte souverän und war hervorragend auf das komplexe Themenfeld eingestellt. Es konnten Fragen hereingereicht werden, die dann zu einem großen Teil auch von den Referentinnen und Referenten diskutiert und beantwortet wurden. Die DGPh und die SK Stiftung Kultur haben nicht nur für Öffentlichkeit gesorgt, sondern sich mit dem Symposium als kompetente Ansprechpartner empfohlen.

Die Veranstaltung, die in der Tat reichlich „Denkanstöße“ gab, kann über die Homepage der SK Stiftung Kultur nachträglich noch in voller Länge angeschaut werden.

Bildschirmfoto 2021-02-26 um 15.28.19

 

Nachtrag: Das Institut kommt nach Essen. Die Machbarkeitsstudie gibt´s hier.

 

 

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