… wie es in Berlin-DDR so war

„Berlin“ von Uwe Steinberg

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Als ich in den 1970er Jahren in der DDR lebende Fotografen, auch Uwe Steinberg, kennnen lernte, stellte sich schnell eine Erkenntnis heraus: anders als in der BRD, jedenfalls war das mein Eindruck, gingen diese Fotografinnen und Fotografen quasi zwei Tätigkeiten nach. Zum einen ihrem Broterwerb und zum anderen ihrer Neigung. Und letzteres war die Beobachtung ihrer Umwelt, insbesondere ihrer Mitmenschen. Diese Bilder waren „für die Kiste“, wie sie sagten, nämlich nach Betrachtung durch ein paar Freunde wurden sie in die ORWO-Vergrösserungspapier-Kartons gesteckt. Hoffnung auf Veröffentlichung gab es kaum.

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Uwe Steinberg (1942-1983) war Reporter bei der NBI (Neue Berliner Illustrierte) und war sogar „Auslands-Kader“. So wurde er nach Ägypten, Kambodscha und Vietnam geschickt und brachte von dort intensive Bilder mit. Aber sein Interesse an den Menschen in seiner Berliner Umwelt blieb. So schaute er genau hin, wenn er aus der Redaktion zu seiner Wohnung im Prenzlauer Berg ging und fing die Menschen ein, einzeln oder in Gruppen. Manchmal stellte er sich auch einen expliziten Auftrag. 1963 fotografierte er die Serie „Zenralmarkthalle am Alexanderplatz“. Hier ist sein Können zu bewundern, bei schlechtestem Licht zu prägnanten Bildern zu gelangen. Alleinsein aber auch Begegnungen, etwa der Los-Verkäuferin mit einer Mutter mit Kindern, sah er. In dieser kleinen Serie ist eine ganze Welt enthalten. Es zeigt sich Uwe Steinbergs Erzähltalent, das er von seinem Schriftsteller-Vater geerbt haben mag. Mindestens zwei andere Themen verdichteten sich zu Serien: Arbeiter am Arbeitsplatz und der berührende Essay „Verabschiedung von Elisabeth Schilski, Elektrokohle Lichtenberg, 1971“. Letzterer sagt mehr über die (Arbeits-)Welt der DDR als mancher (später verfasste) schlaue Kommentar zur Lebensauffassung und den Lebensbedingungen in diesem Teil Deutschlands. Allerdings wäre Uwe Steinbergs Geschichte auch nicht für eine staatstragende Betrachtung zum Werktätigen geeignet gewesen.

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Zur Stilistik von Uwe Steinberg hat Klaus Honnef genau hingesehen und stellt in seinem Vorwort zwei herausragende Merkmale fest. Er konnte „die Bewegung, die sich vor der Kamera anfängt zu entfalten, antizipieren“ und „nicht allein die unbestreitbare »Natürlichkeit«, die fühlbare Spontaneität … springt förmlich ins Auge“. Bei all dem sind die Bilder auch noch wohl komponiert. Auch Honnef erkennt zudem: „Vielleicht liegt in der Frage der emotionalen Nähe oder Distanz die sichtbarste Differenz der ostdeutschen zur westdeutschen Fotografie“.

Es sind alles unspektakuläre, nicht-sensationelle Bilder, die Uwe Steinberg in der Kneipe, auf der Strasse und auf dem Spielplatz aufnahm, graue Bilder weil es Schwarz-Weiss-Fotos sind, aber sie strahlen Menschlickeit aus, des Fotografen und der Betrachteten. Selbst die vielen Bilder mit Bewegung entbehren jeglicher Hektik. Niemand schlägt Kobolz oder verstellt sich, Jeder ist einfach nur er oder sie selbst.

Schlussbemerkung: Die Fotografien (übrigens alle aus der Sammlung von Norbert Bunge) sind zwar in der DDR zu verorten, sie sind jedoch universal, Beschreibung der conditio humana.

 

  • Titel: Berlin
  • Untertitel: 
  • Bildautor: Uwe Steinberg
  • Textautor: Klaus Honnef
  • Herausgeber: Norbert Bunge und Norbert Moos
  • Gestalter: Mathias Bertram
  • Verlag: Lehmstedt Verlag
  • Verlagsort: Leipzig
  • Erscheinungsjahr: 2023
  • Sprache: deutsch
  • Format: 27,5 x 24,5 cm
  • Seitenzahl: 128
  • Bindung: Hardcover mit illustriertem Schutzumschlag
  • Preis: 25 Euro
  • ISBN: 78-3-95797-156-2

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