Die Tische der Macht

Jacqueline Hassinks Künstlerbuch „Table of Power“ in einer neuen Ausgabe

Hassink_Cover

Lässt sich der Charme eines Künstlerbuches aus eine Kleinverlages auf eine internationale Produktion eines Global Players unter den Kunstbuchverlagen übertragen? Dieses Experiment ging Jacqueline Hassink ein und veröffentlichte 15 Jahre nach ihrem Buch Table of Power (EA 1996, 2.Aufl. 2000) eine Fortsetzung dieser Serie, die für die Fotografin damals den Durchbruch brachte. Es geht um Tische in Besprechungszimmern in den Chefetagen von Industriebetrieben und Konzernen, Tische, an denen Entscheidungen gefällt werden. Dabei begnügte Hassink sich nicht mit irgendwelchen Firmen, sondern es mussten die Top 40 in Europa sein. Für die erste Ausgabe hatten nur 21 davon eine Genehmigung zum Fotografieren in ihren Räumen gegeben; die für die 19 anderen vorgesehen Seiten blieben schwarz. Bei der Wiederaufnahme 15 Jahre später hatte sich nicht nur die Zusammensetzung der 40er-Gruppe verändert, sondern auch der Grad der Zustimmung zu Hassinks Projekt: es gab nur 11 Absagen; in diesen Fällen sieht man statt Bildern leere Bildrahmen. In wenigen Fällen ergab sich die Möglichkeit, die 1993-95 fotografierten Interieurs mit denen von 2009-11 zu vergleichen. Doch die unter großem organisatorischen Aufwand zustande gekommenen Fotos sagen eigentlich nur wenig aus; daher gibt es zusätzliche Informationen über die Rollen der Firmen im Geflecht der Wirtschaft, ihre Geschäftszweige, Umsätze und Firmenzentralen. Festgehalten hat Hassink auch die Form der Vorstandstische, die Farbe des Mobiliars und den Verlauf der Kommunikation mit den betreffenden Firmen. Im zweiten, auf dünneres Papier gedruckten Teil des Buches werden diese Daten zu Schaubildern verarbeitet, die an die Ästhetik von Geschäftsberichte erinnern, was durch die Verwendung einer schlichten Schreibmaschinentypographie unterstrichen wird. Die so einfach wie raffiniert konzipierte Tisch-Typologie macht die Konzerne über die nüchternen Innenraumfotos anschaulicher vergleichbar als jede Analyse von Geschäftsberichten es vermag. Haben die modernen Kommunikationstechniken ihren Einzug in die Konferenzsäle der Vorstände gehalten? Hängen Kunstwerke an der Wand? Wie protzig oder nüchtern ist das Mobiliar?

Einem Vergleich werden nicht nur die Tische und Firmen unterzogen, sondern auch die beiden Bücher, denn die neue Ausgabe enthält, wenn auch in sehr kleinem Format, einen Blick auf alle Seiten der heute zur Rarität avancierten ursprünglichen Version. Das neue Buch ist groß und rot, was nicht nur den gewachsenen Geschäftszahlen entspricht, sondern vielleicht auch dem gewachsenen Renommee der Künstlerin. Die Erstauflage hatte das Format und die Anmutung eines Taschenkalenders und wurde in sehr kleiner Stückzahl an besondere Kunden in einer hölzernen Schatulle ausgeliefert. Die Fortsetzung gibt es nun in regulären Vorzugsausgaben, die in drei verschiedene Sorten Furnier gebunden sind, und in einem Upgrade auch noch mit je zwei Originalabzügen von drei Firmen, die sie in beiden Ausgaben vorstellen konnte. Das passt und zeigt, dass auch die Künstlerin einen Aufschwung zu verzeichnen hatte: Während sie damals allein zum Fotografieren unterwegs war, konnte sie für die Fortsetzungstour auf die Hilfe dreier Assistenten bauen (S.157).

Die kleine Originalausgabe des Buches (2.A.) und die neue Ausgabe im Größenvergleich.

Die kleine Originalausgabe des Buches (2.A.) und die neue Ausgabe im Größenvergleich.

 

  • Titel: 
The Table of Power 2
  • Untertitel: 
  • Bildautor: Jacqueline Hassink
  • Textautor: Michiel Goudswaard, Jacqueline Hassink, Annegret Pelz
  • Herausgeber: 
  • Gestalter: Irma Boom
  • Verlag: Hatje Cantz
  • Verlagsort: Ostfildern
  • Erscheinungsjahr: 2011
  • Sprache: englisch
  • Format: 
  • Seitenzahl: 224
  • Bindung: Hardcover
  • Preis: 58 Euro, Vorzugsausgaben in Furnier 150 €, mit Abzügen 800 €
  • ISBN: 978-3-7757-3214-7

Eine Antwort zu Die Tische der Macht

  1. Pingback: Amtsstuben und Aussichten | kasseler fotobuchblog