Baustelle Berlin

Der Mann hat also Humor. Ganz am Ende, auf Seite 247 seines Buches zum Thema Berlin im Wandel, posiert der Fotograf Frank Thiel für die Kamera einer New Yorker Fotografin. Lächelnd und selbstironisch präsentiert er seine Haarpracht, die locker mit der von Jimi Hendrix mithalten kann, wie sie auf Thiels T-Shirt zu sehen ist.

Aber das ist nur die Schlusspointe. Thiel nimmt den Betrachter mit auf eine eindrucksvolle und bei aller formaler Stringenz von leiser Ironie getragenen visuellen Reise durch das Berlin des Umbruchs, der Neubauten und Abrisse. Der Fluss der Werkgruppen wird durch Baustellenpanoramen in verhaltener Farbigkeit rhythmisiert, die wiederum jeweils von den gelben und orangenen Turmkränen dominiert werden. Detailansichten von Fassaden bilden den zweiten Handlungsstrang, Baumaterialien wie Drahtgeflechte und Stahlträger einen dritten. Thiel geht es weder um einen blutleeren Formalismus noch um eine minutiöse Dokumentation irgendwelcher Baufortschritte, eher um eine möglichst lakonische Methode zur Darstellung des Wandels in der Beurteilung von Architektur. Plattenbaufassaden werden nun mal heute von Vielen als hässlich empfunden – das führt zum Abriss oder zu Retuschen durch farbige Anstriche. Derartiges wird gezeigt. Berlin war für mindestens eine Dekade ein Eldorado für einen Fotografen wie Frank Thiel, der sich dort in seinen freien Arbeiten mit den Strukturen von Architekturen und den Lebenszyklen von Bauwerken (Chaos Baustelle – gestaltete, geordnete Fassade – Abbruchchaos) beschäftigte. Am Ende der Bildstrecke stehen detailgenaue Schilderungen von abblätternden Farbschichten – einfacher hätte man den Wandel, der das Bauen immer bedeutet, nicht auf den Punkt bringen können.