Die andere Seite des Portraits

Die finnische Künstlerin Marjaana Kella (* 1961) konfrontiert ihre Modelle mit einer lehrbuchmäßigen Situation eines Portraitstudios mit Haupt- und Spitzlicht, einem neutralfarbigen, sanft verlaufenden Hintergrund, legt die Schärfe selektiv fest, wählt den Ausschnitt eines Brustbildes und fotografiert die Damen und Herren… von hinten. Alles sieht so aus, wie man es aus dem Schaufenster des nächstbesten Portraitstudios kennt, aber die Portraitierten wenden sich ab. Man sieht nur Schultern und Hinterköpfe, wo der Focus auf Kragen, Oberbekleidung und vor allem die Frisuren gelegt ist. Das Bewahren des Gesichtes im Abwenden, das Zeigen der kalten Schulter in einer Zeit allgegenwärtiger, medial vermittelter vermeintlicher Nähe steht in dieser aufwändig inszenierten Serie für den Luxus der Individualität. In einer zweiten Variante führt Kella ihre Modelle in ähnlichem Studioambiente von vorn vor, aber in „hypnotisiertem“ Zustand. Ob dieser Zustand tatsächlich bei der Aufnahme erreicht war oder nicht, spielt keine Rolle, denn auch hier geht es Kella darum, zu zeigen, wie sehr sich die Möglichkeiten, sein Bild individuell selbst zu bestimmen, eingeschränkt haben. Die anderen machen das Bild, man ist dem wehrlos ausgesetzt – in Kellas Inszenierungen freilich mit Zustimmung der Modelle.

Marjaana Kella ist mit einem Ausschnitt aus der Serie „Hypnosis“ auch in dem wichtigen Überblicksband zur „Helsinki School“ vertreten.