Dresden, nicht Kassel

Kai-Olaf Hesse komponierte eine Fotosuite

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Eine Suite ist eine Verkettung oder Abfolge, in der Musik bedeutet das laut Duden eine „aus einer Folge von in sich geschlossenen, nur lose verbundenen Sätzen (oft Tänzen) bestehende Komposition“. Der Fotograf und Buchgestalter Kai-Olaf Hesse hat sich am Beispiel von Dresden, einem Prinzipalstück des Barock, an einer solchen Suite versucht. Hesse hatte aufgrund eines Stipendiums die Gelegenheit, sich für ein paar Monate in „Elbflorenz“ aufzuhalten und dort zu fotografieren. Aus dem gesammelten Material machte er sodann dieses wundervolle Fotobuch, das zum Teil über ein Subskriptionsangebot vorfinanziert werden konnte und dessen kleine Auflage von 500 nummerierten Exemplaren hoffentlich schnell vergriffen sein wird!

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Selten gelang die Annäherung an eine seit Canaletto mit reichlich Vor-Urteilen verknüpfte Stadt so zwanglos wie in diesem überwiegend aus Hochformaten Doppelseite für Doppelseite sorgfältig komponierten Band. Drei der vier Texte fungieren als Pause zwischen den vier „lose verbundenen Sätzen“, aber ich empfinde sie, wie oft in Fotobüchern, darüber hinaus als nicht wirklich hilfreich, denn die Bilder brauchen über die Bildtexte hinaus keine Erläuterungen. Aber halt, wenn die Texte fehlten, würde man man nicht erfahren, was Göran Gnaudschun zu den Arbeiten seines Fotografenkollegen zu sagen hat. Man muss Gnaudschun zustimmen, die Bilder in ihrer Gesamtheit können nur in Dresden entstanden sein – und so stehen eben nicht Kassel oder Hannover am „Ende des Zeitstrahls“, wie er das Produkt der Fotografie definiert.

Hesse entwickelt in bester Tradition die Methode der sich noch an den touristischen Highlights abarbeitenden berühmten Dresden-Bücher von Albert Renger-Patzsch (1929) oder Fritz Fiedler (1930) weiter, sich nämlich über Ausschnitte und Fragmente dem Stadtorganismus anzunähern. Im ersten Satz steht das Band der Elbe im Mittelpunkt, im zweiten die Bebauung, im dritten die Infrastruktur. Doch so genau kann man es eigentlich nicht einteilen, denn Hesses Motivrepertoire aus Straßen, Wegen, Plattenbauten, Gärten und Grünflächen, Skulpturen, Kunst am Bau und Architekturdetails kehrt in immer neuen Konstellationen und Kombinationen in allen vier Sätzen wieder. Hin und wieder kommen die Hauptsehenswürdigkeiten doch vor, vorzugsweise als Reproduktion, die Hesse irgendwo im Stadtraum fand, fotografierte und damit als Zitat neu kontextualisierte. Ein herrliches Bild zeigt die Kuppel der Frauenkirche über einem banalen, sanierten Häuserblock neben einer Brachfläche. So gesehen ist Dresden eine Großstadt wie andere auch, die Aberkennung des Welterbekulturstatus zeigt, dass die Normalität des Häßlichen und der „Sachzwänge“ auch nicht vor einer zudem im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigten Perle der Stadtbaukunst halt macht. Hesse hat sehr genau hingesehen und das Image Dresdens auf den neuesten Stand gebracht.

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  • Titel: Dresden suite
  • Untertitel: 
  • Bildautor: Kai-Olaf Hesse
  • Textautor: Rolf Sachsse, Katja Dannowski, Göran Gnaudschun, Kai-Olaf Hesse
  • Herausgeber: 
  • Gestalter: Kai-Olaf Hesse
  • Verlag: ex pose
  • Verlagsort: Berlin
  • Erscheinungsjahr: 2013
  • Sprache: deutsch
  • Format: 
  • Seitenzahl: 280
  • Bindung: Leinen mit bedrucktem Folienumschlag
  • Preis: 48 Euro
  • ISBN: 978-3-925935-72-5

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