Eine Reise durch Deutschland

Paula Markert hat sich auf glattes Eis gewagt, indem sie jetzt ein neues Fotobuch zu den NSU-Morden vorlegt. Denn es gibt mit dem eindrucksvollen Band Blutiger Boden von Regina Schmeken bereits ein sperrig-faszinierendes künstlerisches Statement. Die darin und in den zugehörigen Ausstellungen enthaltenen Aufnahmen fallen durch ihr bewusstes Schwanken und Straucheln völlig aus dem Rahmen. Diese Art der Darstellung der Allerweltstatorte zwingt zum Nachdenken. Markert war an denselben Tatorten, hat mit Menschen Kontakt gehabt, die an der Aufklärung der Morde beteiligt waren, mit Hinterbliebenen, Anwälten oder einem Sozialarbeiter aus einem Jugendzentrum, in dem sich die Täter kennenlernten. Die bei dieser langen Reise entstandenen Fotos sind technisch perfekt, dokumentarisch klar und sachlich. Das Buch spult den Ablauf der Geschehnisse im Wechsel von Fotos und Textzitaten mit großer Nüchternheit ab, spart den Prozess gegen die Attentäter nicht aus und endet mit dem Bild eines betongrauen Flurs, der von rechts beleuchtet nach links abbiegt. Der abschließende Index erläutert hierzu, dass es 2016 im Rahmen einer öffentlichen Sitzung des „dritten NSU-Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages“ entstand. Das Symbolbild deutet an, dass die Geschichte noch nicht zu Ende ist. Am Anfang der Bildstrecke, noch vor dem Innentitel, stehen die Namen und Todesdaten der Ermordeten und ein in Türkisch und Deutsch abgedrucktes „Klagelied“ von Esther Dischereit. Nach Innentitel und Vorwort folgt das Steckbriefporträt der drei Attentäter, wenn auch distanziert von einem Monitor abfotografiert.

Ich muss gestehen, dass ich nicht weiß, was ich von diesem Buch halten soll. Die Thematik wird im üblichen dokumentarischen Gestus dargestellt, die Gestaltung ist zwar zurückhaltend, aber hätte auch für fast jedes andere Thema in dieser Weise erfolgen können. Was jedenfalls passt ist die Bindung: der Rücken ist offen, wird aber von einem Einband mit geprägtem Titel verdeckt. Vermutlich ist das nicht die letzte fotokünstlerische Arbeit, die sich mit den Morden beschäftigen wird. Die Messlatte dafür, soviel steht fest, hat Regina Schmeken sehr hoch gelegt.