Ernstfall Afghanistan

Jens Umbach über den Einsatz deutscher Soldaten

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Afghanistan ist eine Pulverfass. Ob die Hilfe deutschen Militärs etwas zur Entschärfung der Lage beitragen kann? Für Monate wird aus Manövern Ernst, behagliche Wohnungen in Deutschland müssen gegen provisorische Behausungen im fernen und gefährlichen Land eingetauscht werden. Den Fotografen Jens Umbach (* 1973) interessieren nur die Menschen, die aus Deutschland nach Afghanistan geschickt wurden, nicht die Kriegshandlungen. Er fotografierte sie, in Uniform, oft mit Waffe, gerade vom Dienst kommend, bei neutralem Licht vor weißem Fond in Schwarzweiß. In gleichem Stil portraitierte er auch die in Deutschland zurückgebliebenen Familien der Soldaten und Soldatinnen. Die Mienen sind überwiegend ernst. Alle sind sich der Schwere der Aufgaben und der Größe der Zumutungen bewusst; Actionhelden sehen anders aus. Umbach ist ein sicherer Portraitist, seine Aufnahmen faszinieren durch die Ambivalenz zwischen Funktion und Funktionsträger. Die Hinzunahme der Zivilisten und auch von vom Krieg gezeichneten Veteranen deutet die Probleme an, die jede Person, jede Familie, aber auch die gesamte Gesellschaft mit der politisch gewollten Mission hat. Hinzu kommen als zweite Erzählebene, nun in Farbe, Orte, militärisch wichtig als Truppenübungsplatz oder als Einsatzort, konterkariert durch strenge Ansichten privater deutscher Wohnhäuser, in denen Soldaten leben. Die Architektur unterstreicht die Aussagen der Portraits: hier wohnen Leute wie du und ich, die einem belastenden Job nachgehen. Ein dritter Erzählstrang besteht aus nur drei schwarzweißen Stillleben: zwei Mohnkapseln, eine menschliche Silhouette als Zielscheibe und eine Beinprothese – Ursache und Wirkung im Schnelldurchgang.

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Umbach, laut Klappentext „vielversprechend“, verdient sein Geld in der Werbe- und Modebranche. Er hatte für diese freie, unkommerzielle Arbeit 2010 eine Crowdfunding-Kampagne gestartet und damit einen Teil der Projektkosten eingeworben. Vermutlich in diesem Zusammenhang ist auch die teurere, inhaltlich ansonsten verzichtbare, auf 99 Exemplare limitierte Special-Edition zu sehen, die Buch und einen Abzug im Schuber vereint.

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Das hervorragend gedruckte Fotobuch ist, passend zu den lakonischen Bildern, in angenehmer Zurückhaltung gestaltet. Es enthält keine Vorworte von Politikern oder Militärs, sondern einen Text des Kurators des Kasseler Museums für Sepulkralkultur. Denn in diesem Haus, das der Kulturgeschichte des Todes gewidmet ist, wird die zum Buch gehörende Ausstellung erstmals gezeigt (noch bis 27.7.2014). Das (laut Verleger) nur in vorsichtiger Erstauflage von 300 Exemplaren erschienene Buch und die Ausstellung fügen dem leider traditionsreichen und oft grausigen Genre der Kriegsfotografie eine subtile und nicht minder nachdenklich machende Facette hinzu.

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Jens Umbach während der Eröffnung seiner Ausstellung in Kassel, 23.5.2014

Jens Umbach während der Eröffnung seiner Ausstellung in Kassel, 23.5.2014

 

  • Titel: Afghanistan
  • Untertitel: 
  • Bildautor: Jens Umbach
  • Textautor: Gerold Eppler
  • Herausgeber: 
  • Gestalter: NORDSONNE IDENTITY
  • Verlag: seltmann + söhne
  • Verlagsort: Lüdenscheid, Berlin
  • Erscheinungsjahr: 2014
  • Sprache: deutsch, englisch
  • Format: 
  • Seitenzahl: 104
  • Bindung: Leinen, illustrierter Schutzumschlag
  • Preis: 44 Euro
  • ISBN: 978-3-944721-13-2

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