Groteske ästhetische Fehltritte

Ulf Soltaus Fotosammlung „Gärten des Grauens“

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Steine, Kies, Geröll, Beton. Grau ist das neue Grün. Was ist bloß in so viele Eigenheimbesitzer gefahren? Bauen sich Häuser und schütten sie mit Kies zu, nachdem sie den Untergrund mit Plastikfolie versiegelt haben, garnieren alles mit seltsamen Nadelgebilden, die aussehen wie Korkenzieher, oder Gräsern, die an ausgefranste Pinsel erinnern. Vielleicht hat ja Ulf Soltaus famose Fotosammlung Bilder des Grauens das Fass zum Überlaufen gebracht. Jedenfalls wurden in Baden-Württemberg die Steingärten im Frühjahr endgültig verboten, bestehende müssen auf eigene Kosten als Sondermüll entfernt werden. Recht so! Selbst Schuld!

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Seit einiger Zeit schon postet der Botaniker und Biologe Fotos von Spießers Stein- und Geröllwüstungen auf seinem Facebook-Blog. Im vergangenen Herbst erschien das Buch dazu, längst ein Bestseller. Würde jetzt eine erweiterte Neuauflage erscheinen, würde sie vielleicht bereits auf den doppelten Umfang anschwellen. Es ist nicht ganz klar, wo das Buch anzusiedeln ist: Zählt es in die Kategorien „Lachende Kamera“ oder Architekturkritik im weitesten Sinne? Ist das lustig oder will man bei all den Geschmacklosigkeiten lieber gleich in Tränen ausbrechen? Ist es ein Aufklärungsbuch oder eine Schmähschrift? Es ist von allem etwas, je nach Standpunkt. Vergleichen lässt es sich am ehesten mit Turit Fröbes Büchern und Abreißkalendern, in denen die Architekturhistorikerin Bausünden sammelt und diese launig kommentiert. Soltau macht es genauso. Seine Bildkommentare unter den ihm von überall her zugesandten Fotos strotzen nur vor Boshaftigkeit, wobei er immer ein Augenmerk auf die grotesken ästhetischen Fehltritte legt, die durch seltsame Details oft völlig ins Absurde kippen. Das ist schon sehr erheiternd – einerseits. Andererseits bleibt einem vor Schreck meist das Lachen im Hals stecken.

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Das Buch ist erfreulich preiswert und dazu solide gemacht. Tipp: Bei einer weiteren Auflage sollte der Gestalter lieber auf die Schattenrahmen verzichten. Die sind altbacken und so überflüssig wie Steingärten, wenn auch nicht in gleichem Maße störend. Das Buch eignet sich übrigens hervorragend als ätzendes Geschenk für alle „Schotterfreunde und Geröllheimer“, wie Soltau sie im Vorwort nennt. Sie dürften das jedoch weniger lustig finden.

 

  • Titel: Gärten des Grauens
  • Untertitel: 
  • Bildautor: (diverse)
  • Textautor: Ulf Soltau
  • Herausgeber: 
  • Gestalter: 
  • Verlag: Eichborn / Bastei Lübbe
  • Verlagsort: Köln
  • Erscheinungsjahr: 2019
  • Sprache: deutsch
  • Format: 22,8 x 22,8 cm
  • Seitenzahl: 128
  • Bindung: illustriertes Hardcover
  • Preis: 14 Euro
  • ISBN: 978-3847906681

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