Mit Volkswagen in die USA

Als die Welt von VW noch in Ordnung war. Mein Fotobuch des Jahres!

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„Dieselgate“ ist zu einem Schlagwort für die Dreistigkeit von Ingenieuren von Volkswagen geworden, ein technisches Problem elegant, aber illegal zu lösen. Betrug am Kunden, Frevel an der Umwelt. Für das Image eine Katastrophe!

Ganz anders sah die Welt für VW in den Swinging Sixties in den USA aus – auf den Highways Käfer neben Straßenkreuzern, die Showrooms voll von Qualitätsprodukten „Made in Germany“. Dies jedenfalls vermittelt ein unglaubliches Fotobuch, das mich unlängst erreichte. Der Band ist vermutlich in nur sehr kleiner Auflage hergestellt worden und dürfte den Beteiligten, vielleicht auch den Gastgebern, zugeeignet worden sein. Er handelt von einer aus Anzugträgern in den „besten Jahren“ bestehenden Delegation, die in irgendeiner Mission für Volkswagen in den USA unterwegs war. Vom Typ her ist es ein privates Erinnerungsalbum, aber die sachliche, schlichte, ganz auf die Wirkung der Bilder bauende Gestaltung und das Fehlen jeglicher weiterführender Informationen zielt über die Dargestellten bzw. Mitreisenden hinaus. Das Buch besteht nur aus Schwarzweißfotos, entweder in Handarbeit in der (werkseigenen?) Dunkelkammer abgezogen oder wie Postkarten in „Echt Foto“ Technik maschinell erstellt. Die Barytabzüge wurden Rücken an Rücken kaschiert und mit einer mürbe gewordenen Plastikspirale zwischen zwei Klarsichtblätter gebunden. Kein Text, kein Autor, keine Jahreszahl ist zu finden. (In einem Schaufenster steht der VW Typ 2 T 1, der Bulli, mit geteilter Frontscheibe, gebaut bis 1967. Die Reise dürfte also vor 1967 stattgefunden haben).

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Das Titelbild sieht aus, als ob es aus Le Corbusiers Aircraft entlehnt worden wäre. Innen folgt die Kamera den Stationen der Reise mit Flug, Ankunft in New York, geschäftliche Verpflichtungen, Besichtigung einer VW-Niederlassung, Freizeit (beleibte Männer am Pool!), Straßenszenen, Sehenswürdigkeiten, Ausflug nach Washington, Rückreise ab New York, Ankunft in Frankfurt. Wobei die Dramaturgie des Buches selbsterklärend ist. Nicht jedes Foto ist für sich genommen spannend, aber die Zusammenstellung ist es allemal. Der unbekannte Autor – Frauen sind praktisch nicht zu sehen – hat ein schlüssige Sequenz gefunden und passende Doppelseiten kombiniert, zuweilen unter Aufteilung eines Motivs als Panorama über beide Seiten, im Falle eines Wolkenkratzers und einer Aufnahmen von Feuertreppen sogar im Hochformat. Ein schönes Beispiel für die in sich ruhende, selbstsichere Art der Männer von VW aus dem Wirtschaftswunderland Germany. Man erfreut sich der Präsenz der eigenen Produkte, staunt über die fremde Welt, führt Gespräche oder ist an einer Konferenz beteiligt. That´s it!

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Lange vorbei. Die Lage ist heute eine andere. Aus Selbstsicherheit ist Selbstgefälligkeit geworden, die zuletzt einer kleinlauten Zerknirschung wich. Es wird viele Jahre dauern, den verlorenen „Vertrauenskredit“ zurückzugewinnen – und vieler Geschäftsreisen bedürfen, die man ganz bestimmt nicht mehr in Form eines derartigen Erinnerungsbuches dokumentieren wird.

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Diese No-Name-Publikation erzählt auf lakonische Art ihre Geschichte, ist fotografisch und gestalterisch fast perfekt und durch die aktuellen Ereignisse um „Dieselgate“ gewinnt das Flohmarktobjekt auch inhaltliche Relevanz. Ich lege mich schon jetzt fest: Dieses Album aus den Sechzigern ist mein Fotobuch des Jahres!

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PS Vor ziemlich genau 10 Jahren sind wir, sechs Autorinnen und Autoren, mit unseren Rezensionen auf der Website des Kasseler Fotoforums an den Start gegangen – erst als regal, seit 2011 als Kasseler Fotobuchblog. Dies ist Text Nr. 434.

  • Titel: (ohne)
  • Untertitel: 
  • Bildautor: (anonym)
  • Textautor: 
  • Herausgeber: 
  • Gestalter: 
  • Verlag: (ohne)
  • Verlagsort: 
  • Erscheinungsjahr: Mitte 1960er-Jahre, vor 1967
  • Sprache: 
  • Format: ca. 17 x 24 cm
  • Seitenzahl: 66
  • Bindung: Ringbindung (Kunststoff)
  • Preis: 
  • ISBN: 

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