Püscher? Nie gehört.

Bitte aufmerken!

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Als Eberhard Püscher 1994 starb, endete fast ein halbes Jahrhundert Chronistentätigkeit in Alfeld (Leine). 1947 von Richard Püscher gegründet und nach dessen Tod 1960 von seinem Sohn weitergeführt war der gewerbliche Fotografenbetrieb aus der Kleinstadt nicht wegzudenken: Hochzeiten, Heimatfeste, Schulklassen, Porträts, Seifenkistenrennen, Bundeswehr und und und. 80000 Aufnahmen umfasst der Nachlass, der nicht, wie leider viel zu oft, irgendwie verschwand und entsorgt wurde, sondern erhalten blieb und von der Püscher Gesellschaft seit 2011 aufgearbeitet wird. Es gibt dazu eine Website, über die man sogar alte Motive nachbestellen kann, und bis 28.2.2014 die Ausstellung Bitte Aufmerken! , zu der ein vom Konzept und von der Gestaltung her außerordentliches Buch unter dem schönen Titel Eine Stadt auf Fotopapier erschienen ist. Abseits vom ernsthaften Vollständigkeitsstreben der Fotohistoriker und Volkskundler und jenseits der abgestandenen Hochglanzoptik allzuvieler heimatgeschichtlicher Bildbände haben hier Designstudenten und mit der fotografischen Ästhetik Erfahrene ganze Arbeit geleistet: Das Buch ist perfekt gestaltet und konzipiert. Für die wesentlichen Arbeitsbereiche des Fotografenbetriebs wurde je ein von einem kurzen Text eingeleitetes Kapitel reserviert, dann folgen ausgewogene Doppelseiten mit passend ausgewählten Bildbeispielen. Diese Tableaus sind selbsterklärend und brauchen daher keine Legenden; wer hier mit wem wann warum fotografiert wurde, könnte für manche Alfelder interessant sein, aber nicht für den Rest der Welt, der hier einen prototypischen Querschnitt durch das gesellschaftliche Leben einer westdeutschen Kleinstadt vom beginnenden Wirtschaftswunder bis in die Nachwendejahre geboten bekommt. So etwas Ähnliches in vergleichbar herausragender Qualität gab es bislang nur für einen Großstadtbetrieb, nämlich für das zwischen 1895 und 1993 in Berlin tätige Porträtatelier Mathesie (NGBK Berlin 1998).

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Nicht zuletzt trugen Vater und Sohn Püscher zum Gelingen des Buches bei, denn die solide handwerklichen und gestalterische Qualität ihrer Aufnahmen wird immer wieder deutlich. Die spielerische Leichtigkeit dieses Buches über die Provinzfotografie darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass erst die Archivierung und Aufarbeitung des Nachlasses die Basis für eine solche Präsentation legte. Das dürfte ein hartes Stück Arbeit gewesen sein; warum sich nicht anschließend ein buchgestalterisches Sahneschnittchen gönnen?

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  • Titel: Eine Stadt auf Fotopapier
  • Untertitel: Die Sammlung Püscher in Alfeld (Leine)
  • Bildautor: Richard und Eberhard Püscher
  • Textautor: Texte der Herausgeber und
 von Hans-Martin Buttler, Mona Heiler, Melanie Huber, Lena Müller, Gisela Parak
  • Herausgeber: Annett Gröschner, Simon Schwinge
  • Gestalter: Natalie Brychcy, Anna-Lena Schotge (und andere Studierende der Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst Hildesheim)
  • Verlag: fruehwerk
  • Verlagsort: Berlin Hildesheim Luzern
  • Erscheinungsjahr: 2013
  • Sprache: deutsch
  • Format: 
  • Seitenzahl: 144
  • Bindung: Schweizer Broschur
  • Preis: 29,90 Euro
  • ISBN: 978-3-941295-12-4

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