Sterben und Leben in L.A.

Ein schwerer Band über das kriminelle Los Angeles

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Die Betonung liegt auf „Sterben“: Fast 500 Seiten mit historischen Aufnahmen von Mord und Totschlag, Sexualdelikten, Drogen, Verbrechen und Korruption, Gangs und Gangsterbossen, Detektiven und korrupten Polizisten. Gestehen wir es uns ein: Wir alle sind Voyeure und schauen gerne mal durchs Schlüsselloch. Darauf spielt das Bild auf der dicken Umschlagpappe an. Es zeigt eine Frau, die zwar durch kein Schlüssel- aber neugierig durch das Einschussloch einer Schaufensterscheibe nach innen blickt, wo wahrscheinlich das Opfer liegt. Ein Polizist mit tumbem Blick steht daneben. Ein weiteres Einschussloch befindet sich in Höhe seiner Brust, ein drittes weist direkt auf das Herz der Frau. Will sagen: Jeder kann der nächste sein. Die Einschusslöcher wurden rund ausgestanzt, darunter schimmert es rot. Ein phantastisches Foto und ein netter gestalterischer Gimmick, keine Frage.

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Der von Jim Heimann edierte Band ist eine Kulturgeschichte der Kriminalität in Los Angeles bis in die 1950er Jahre. Warum L.A.? Weil die Stadt an der Westküste der USA in Sachen Kriminalität mit die größte Faszination ausübt. Sie konkurriert vor allem mit Chicago und New York. Es verwunderte nicht, ließe der Taschen-Verlag alsbald ähnliche Bände zu diesen Städten folgen.

L. A. steht für Hollywood-Glamour, Hedonismus, Sonnenschein, prächtige Strände, grandiose Landschaften – einerseits. Im Schatten florierte jedoch alles, was oben schon erwähnt wurde. Dazu sind etliche Filme und Romane erschienen, die den Mythos überhaupt erst befeuerten. Im Anhang gibt es dazu einen schönen Überblick. Die Rolle der Presse ist ebenfalls nicht zu unterschätzen, die meisten hier abgebildeten Fotos sind Pressebilder. Die Kriminalität sorgte für auflagenträchtige Schlagzeilen, Reporter und Fotografen hatten bisweilen Heldenstatus. Die Bildstrecke hat der Verlag  ebenfalls eine originelle Idee  mit eingebundenen Faksimiles von neun Illustrierten und Crime-Magazines ergänzt: Pulp Fiction. Hier fehlen leider die bibliografischen Nachweise, ebenso wie bei den Fotos im Band. Viele sind wahrscheinlich auch nicht mehr zu erbringen.

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Manchmal ist es umgekehrt: Dann sagen Worte, es müssen nicht immer gleich 1000 sein, mehr als ein Bild. So liefert Heimans Text im Anhang viele Hintergrundinformationen, die die Bilder nicht transportieren. Und es ist auch so: Bei all den Fotos von zum Teil grässlich traktierten Mordopfern setzt alsbald Ermüdung ein, zumal viele Bildunterschriften nicht gerade zur Erhellung beitragen, indem nur das bezeichnet wird, was man ohnehin sieht. Manche sind sogar zynisch: „Bugsy Siegels letzter Fototermin fand in den Räumen des Gerichtsmediziners statt“ (bei dem Abgebildeten handelt sich um einen den erschossenen Gangsterboss) oder „Bei einem schief gelaufenen Raubüberfall muss ein Barkeeper den Löffel abgeben“. Sehr witzig.

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  • Titel: Dark City
  • Untertitel: The Real Los Angeles Noir
  • Bildautor: (diverse)
  • Textautor: Jim Heimann
  • Herausgeber: 
  • Gestalter: Jess Sappenfield
  • Verlag: Taschen
  • Verlagsort: Köln
  • Erscheinungsjahr: 2018
  • Sprache: englisch, deutsch, französisch
  • Format: 27,8 x 25 cm
  • Seitenzahl: 480
  • Bindung: Halbleinen, Schuber
  • Preis: 75 Euro
  • ISBN: 978-3836560764

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