Strukturwandel Ostrava

Ein kollektives Stadtportrait

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Aus einer Zusammenarbeit der Stiftung Zollverein (Essen) und Kooperationspartnern im tschechischen Ostrava entstand ein von fünf deutschen Fotografen und einer niederländischen Fotografin und Textautoren aus Tschechien und Deutschland gezeichnetes Stadtportrait. Geschichte und Gestalt des früheren Mährisch Ostrau sind ähnlich von der Industrie geprägt wie die des Ruhrgebiets. Das Auffällige an dem in einem handlichen, fast quadratischen Format vorliegenden, von Kai-Olaf Hesse und Andreas Mader konzipierten und gestalteten Buches ist die Gleichrangigkeit von historischen und aktuellen Bildern und Texten. So entstand kein Lesebuch mit angehängtem Tafelteil, sondern ein lebendiges, vom Gestern zum Heute und wieder zurück springendes Stadtportrait. So weit, so gut. Auffällig ist, dass die Fotos im Buch nicht nach ihren Urhebern geordnet sind. Wer möchte, kann sich die Arbeiten der Bildautoren im Bildnachweis aufschlüsseln lassen. Es lassen sich in jedem Fall keine individuellen Bildsprachen erkennen; die nüchtern dokumentierenden Aufnahmen sind voll und ganz in den Dienst eines Gesamteindrucks gestellt. Ob dieser tatsächlich von Ostrava gerecht wird, ist schwer zu beurteilen, viele Motive könnten irgendwo gefunden worden sein, aber vielleicht ist ja gerade diese Austauschbarkeit ein Charakteristikum der Stadt.

Ein durchgehend eingesetztes Gestaltungselement im Buch sind rote Balken für Überschriften, als Hintergrund für historische Ansichten im tschechischen Textteil und am Rand oder überlappend bei den schwarzweißen Fotos, die aus Archiven für das Buchprojekt herausgesucht wurden. Das wirkt zuweilen so, als ob man die Bilder eingeklebt hat, wie früher, als man die Filme mit Klebeband für die Belichtung von Druckplatten zusammenmontierte. Oder soll man diese im Übrigen überflüssigen, weil störenden und die Bilder entwertende Flächen als bewussten Rückgriff auf die Zeit um 1960 interpretieren, wo so etwas gebräuchlich war, um nun wirklich jedem Leser deutlich zu machen, dass es sich um historisches Bildmaterial handelt? Manchmal wäre weniger mehr.

Die Frage ist, an wen sich die Publikation richtet. Die Texte sind zwar auch in Tschechisch abgedruckt, dies aber in einem durch anderes Papier und eine spärliche Bebilderung gekennzeichneten Anhang. Ansonsten ist das Buch ein deutsches Buch, das der Verlag folgendermaßen anpreist: „Die Publikation greift die ineinander verschlungenen geschichtlichen Epochen und ihre Bruchstellen zum Zeitpunkt dieses Wandels auf und hält die reiche kultur-, architektur- und industriegeschichtliche Vergangenheit von Ostrava in den Jahren 2004–2008 fest. Projekt und Buch ermöglichen es, den aktuellen Prozess differenziert und nachhaltig interpretieren zu können. Sie bieten die Chance, unsere Umwelt als Teil der eigenen Geschichte und somit der eigenen Identität und Identitätsstiftung zu begreifen.“

 

  • Titel: Ĉernā hvězda. Schwarzer Stern
  • Untertitel: Reviere zwischen den Städten. Genius Loci von Kohle und Stahl
  • Bildautor: Kim Bouvy, Kai-Olaf Hesse, Andreas Mader, Arwed Messmer, Peter Oehlmann, Christian von Steffelin u.a.
  • Textautor:  Jan Balaban, Matthias Flügge, Axel Föhl, Martin Strakos
  • Herausgeber: Stiftung Zollverein, Essen, Kai-Olaf Hesse, Andreas Mader
  • Gestalter: Kai-Olaf Hesse
  • Verlag: Verlag für moderne Kunst
  • Verlagsort: Nürnberg
  • Erscheinungsjahr: 2010
  • Sprache: deutsch, tschechisch
  • Format: 
  • Seitenzahl: 224
  • Bindung: illustriertes Hardcover
  • Preis: 28 Euro
  • ISBN: 978-3-86984-126-7

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