Das Buch als Accessoire und Fetisch

Bookish! – Günter Karl Bose zeigt die Facetten des Buchgebrauchs

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Am Anfang und am Ende stehen Speichergehäuse. Zunächst der große, kreisrunde Kuppel-Lesesaal der Preußischen Staatsbibliothek in Berlin, aufgenommen 1934. Am Ende der 275 Fotografien umfassenden Bildstrecke schließlich ein früher E-Book-Reader aus dem Jahre 1989: Dieses amerikanische Taschengerät hatte nur ein Buch auf dem Chip, natürlich das Buch der Bücher, die Holy Bible. Heute kann man mit Kindle und Tolino den Inhalt ganzer Bibliotheken in der Jackentasche mit sich herumtragen, wobei die modernen Lesecomputer noch langweiliger aussehen als die Elektrobibeln von vor fast 30 Jahren.

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Zwischen diesen beiden Fotos aber, die sinnbildlich für die Verkleinerung der Speichermedien stehen, hat Günter Karl Bose eine faszinierende fotografische Kulturgeschichte des Buches im Spiegel seines Gebrauchs zusammengetragen. Ich sage bewusst „Gebrauch“, denn „Gebrauch“ meint mehr als „Lesen“. Wirkliche Leser, Leute also, die in die Lektüre versunken sind, finden sich erstaunlicherweise selten. Andererseits: Mit Büchern lässt sich nun ja auch viel mehr anstellen als schnöde Lektüre. Ein Buch ist mehr als ein Text auf Papier zwischen zwei Pappdeckeln, das wird deutlich. Bücher sind Accessoires und Fetische. Sie sind winzig klein und riesengroß, schöne Nebensache, wichtig und hoch bedeutsam gar wie Bibel und Mao-Bibel. Immerhin gelegentlich werden sie gelesen, nicht nur von Menschen, sondern auch von Maschinen. Man stützt sich auf ihnen ab, versinkt mit ihnen im Schaumbad (wie die Sex-Ikone Jane Mansfield). Man schaut versonnen über den Buchrand in die Ferne oder posiert vor Bücherwänden (mal mehr mal weniger oder gar nicht bekleidet). Bücher werden stolz präsentiert, befingert, gesammelt, geschleppt, verbrannt, gestapelt, hochgehalten (und wieder: die Mao-Bibel). Bücher werden aufbewahrt in Bibliotheken und Buchmöbeln und feilgeboten in Book-Stores und Basars.

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Für all diese Umgangsformen mit dem Buch hat Bose Beispiele aus 150 Jahren von den Anfängen der Fotografie bis zum Beginn der Digitalisierung zusammengetragen. Und wie immer gilt: Es hätte viel mehr sein können. Aber Bose ist ein Buchgestalter, der Maß und Mitte kennt, nie zur Überfrachtung neigt, sondern stets die besten Beispiele wählt und diese so klug wie umsichtig zusammenstellt. Das hat er schon bei seinen anderen Archiv-Produktionen bewiesen, u. a. bei Photomaton, Big Zepp und Stardust. Das seidig schimmernde Papier, der hervorragende Druck und die informativen in zurückhaltender Typografie gesetzten Texte tun ihr Übriges. Seltsam: Eine „wenig verlockende Aufgabe“ erschien ihm, ein Buch über Bücher zu machen. Bose musste, wie er im Anmerkungsteil bekennt, sogar davon überzeugt werden. Bookish! hat Chancen, zum schönsten Buch des Jahres 2017 gekürt zu werden. Überraschend wäre das nicht.

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  • Titel: Bookish!
  • Untertitel: Ein Blick zurück
  • Bildautor: 
  • Textautor: Michael Hagner
  • Herausgeber: Günter Karl Bose
  • Gestalter: Günter Karl Bose
  • Verlag: Wallstein
  • Verlagsort: Göttingen
  • Erscheinungsjahr: 2017
  • Sprache: deutsch
  • Format: 30 x 24 cm
  • Seitenzahl: 236
  • Bindung: illustrierter Pappband
  • Preis: 29 Euro
  • ISBN: 9783835331600

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