„Hier bitte noch irgendein Buch einpflegen…“ *

Randnotizen 2014

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Weihnachtszeit, Rankingzeit. Nun also auch hier… nein, kein wirkliches Ranking, sondern ein selbstverständlich unvollständiger Rückblick auf das 2014 Gesehene und Geschehene.

Zunächst einmal wird es um ein paar nicht ganz gelungene Drucksachen gehen. Denn nur wenn man das Eine kennt, lernt man das Andere schätzen. Wie immer ist das eine Frage des Standpunkts, also hier meines Standpunkts, der überwiegend auf dem Erwerb älterer Bücher zu Forschung und Erbauung fußt. Die Praxis zeigt, dass das Perfekte oft das Langweilige und, wie im ersten Beispiel, das Seltsame das eigentlich Spannende ist. Manchmal hilft aber auch kein Exotenbonus …

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Platz 1 im Kuriositätenkabinett in diesem Jahr nimmt – stellvertretend für mehrere ähnliche Funde aus der Sphäre des sozialistischen Realismus – ein Buch namens Gagra ein. In Russisch, allerdings mit Einleitung auch in Englisch, Französisch, Deutsch und Spanisch. Dargestellt wird der mondän wirkende Kurort Gagra am Schwarzen Meer. Das Städtchen in Abchasien ist auf der Landkarte gar nicht weit von der Krim entfernt, einem aktuellen Schauplatz der Politik. Das Buch erschien 1971, weswegen die Einschätzung: „Hier ist es wirklich ruhig und gemütlich!“ (Vorwort) seinerzeit zutreffend gewesen sein mag. Es handelt sich um einen eher dünnen und kleinen Bildband, den man den Kurgästen als Souvenir andiente. Die meisten Fotos sind farbig. Die Druckqualität schwankt zwischen grellbunt und ausgeblichen, schwarzweiße Bilder sind flaugrau wiedergegeben.

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Viele Bilder sind unscharf bzw. zeigen einen unglücklichen Umgang mit der Tiefenschärfe oder weisen, im Rahmen der üblichen Sujets der Fremdenverkehrswerbung, durchaus unkonventionelle Bildideen auf. Für die zusätzliche „Belebung“ des Layouts wurden kleine Vignetten verwendet und gelegentlich so eingestreut, als ob man Angst davor gehabt hatte, den kostbaren Raum ungenutzt leer zu lassen. Den Vorsatz ziert ein völlig nichtssagender Kartenausschnitt mit vergleichsweise riesiger Kompassrose. Warum so etwas niemand bemängelt hat, bleibt ein Rätsel – ein Zeichen von Plan-Misswirtschaft oder für ein Desinteresse der Beteiligten? Vorschlag: Werten wir die offenkundigen Mängel einfach als erfrischend anders und erfreuen uns an gewagten Farb- und Formkompositionen, einer eigenwilligen Bildsprache und an einem spröde-verspielten Layout!

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Platz 2 trifft die leicht verkleinerte und mit einem veränderten Einband und Schutzumschlag ausgestattete Neuausgabe eines Klassikers, der es völlig zu Recht in Parr und Badgers Kanon (The Photobook, Band I, , S.222f.) geschafft hat: Toto město je ve společné péči obyvatel. Das Original von Bohumil Hrabal und Miroslav Peterka erschien 1967 vor dem „Prager Frühling“ und mag in seinen surrealen Szenerien politische Andeutungen verbergen. Da das Original seltener und teurer geworden ist, lag es nahe, den Band neu aufzulegen, was 2006 geschah. Die Bilder sind die gleichen wie 1967, selbst die Sequenz ist geblieben, und doch hat das Buch alle Kraft verloren. Das weiße, glatte Papier von 2006 hat nicht den Charme des rauhen, schnell vergilbten Materials von früher (für Texte und Bilder wurden 1967 zwei verschiedene Papiersorten verwendet), der typografische Schutzumschlag von damals zeigt heute immer Patina, ist brüchig und vergilbt. Der graue Offsetdruck der neuen Ausgabe gibt nur ein schwaches Echo des einst kräftigen Kupfertiefdrucks. Leerräume unter oder über den Bildern wurden weiß statt schwarz, viele randabfallend wiedergegebene Bilder erhielten weiße Ränder, was dem Buch zusammen mit der geänderten Typographie jegliche Kraft raubt. Die (inzwischen vegriffene) Neuausgabe mag inhaltlich ok sein und ihre Berechtigung haben, ist aber trotz aller Bemühungen um eine aktuelle Interpretation kein Ersatz für die authentische Ausgabe. Texte und Fotos sind da, die Aura ist verloren.

Platz 3 geht an ein deutsches Buch, das ich des Themas wegen mit großen Erwartungen bestellt hatte, das sich aber schnell als wenig originelle Kröte entpuppte, die keine noch so eifrige Prinzessin zu einem schönen Fotobuch hätte wachküssen können. Bitte hier weiterlesen.

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Platz 4 für 10 x 10, für mich eine Enttäuschung, obwohl die neue Ausgabe von dem berühmten Designer -SYB- (Sybren Kuiper) in interessanter und innovativer Weise gestaltet wurde. Wie schon seinem Vorgänger fehlt aber auch dem neuen Kompendium der rote Faden. Das Konzept der Reihe sieht vor, dass 10 Experten je 10 Bücher aus der Fotobuchproduktion jeweils eines Landes auswählen und vorstellen – 2013 war das Amerika, 2014 ging es um Japan. Die in diversen Listen und Sublisten gepackte Menge an Büchern scheint ein Ranking des Rankings willen zu sein. Mir ist das zu wenig, auch wenn die beiden gestalterisch eindrucksvollen Drucksachen ein wenig Licht in das Dunkel der Fotobuchwelt der genannten Länder bringen mögen. Leuchttürme sind es nicht.

ZEIT Magazin, 11.9.2014

ZEIT Magazin, 11.9.2014

Der Sonderpreis für das seltsamste Bild, das ich 2014 veröffentlicht gesehen habe, und zugleich für die seltsamste Doppelseite geht an das ZEIT Magazin vom 11.9.2014. Es handelt von Männermode. Ich gebe gern zu, dass ich nicht viel von Mode und Modefotografie verstehe, jedenfalls dann, wenn sie so aussieht wie auf dem Bild auf Seite 32, das folgendermaßen erläutert wird: „Zweireihiger Blazer von Giorgio Armani, T-Shirt von Tom Ford, Hose von Calvin Klein Collection, Uhr: Chelsea FC Aquaspeed von Rotary“. Gut zu wissen. Leider ist der Designer oder Hersteller der prominent im Vordergrund platzierten Tischlampe (oder ist es eine Kaffeemaschine?) nicht genannt. Immerhin scheint Tony Ward, das im Hintergrund sitzende „Supermodel“, einen gewissen Dialog mit der auf der gegenüberliegenden Anzeigenseite aufgehängten Steppjacke aufgenommen zu haben; nachdenklich hält der Mann die Hand vor die untere Gesichtshälfte und nimmt die herrenlose Jacke ins Visier. Die Jacke starrt zurück. Wunderbare Welt der Werbung.

Verlassen wir das Kuriositätenkabinett und kommen zu ein paar Highlights, die ich in den den letzten Monaten fand.

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Síla paměti (Kraft des Gedächtnisses) heißt ein tschechisches Buch zum Nationalsozialismus, für das der Fotograf Jiří Všetečka etliche aus historischem Bildmaterial bestehende Montagen oder Collagen beigesteuert hat. Das Buch von 1980 hätte ich auf jeden Fall in Deutschland im Fotobuch aufgenommen oder wenigstens erwähnt – hätte ich es nur früher gekannt. Das ist nicht das erste Mal, dass mich Bücher erreichen, die ich in DiF unbedingt hätte berücksichtigen müssen. Die Liste nachzutragender Fotobücher wird von Woche zu Woche immer länger…

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Zwei weitere tschechoslowakische Bücher seien noch empfohlen: nämlich Jak zpívá racek (Dort wo die Möwe singt, 1962), ein in Bildern und Gedichten erzählendes, von Ervin Jiricek mit Fotos diverser Autoren (u.a. Šechtlová, Sitensky, Ehm, Prosek, Zikmund) gestaltetes, abwechslungsreiches Landschaftsportrait über Südböhmen. Und Muž mnoha tváří (Der Mann mit den vielen Gesichtern, 1959) von Karel Šebík, ein Buch über den Schauspieler Arkadi Raikin in Dutzenden Verkleidungen, Rollen und Charakteren. Diese beiden Bände überzeugen durch einen ruhigen, unaufgeregten Fluss der Bilder, eine gute Druckqualität und eine schöne Ausstattung mit Ausklapptafeln, illustrierten Vorsätzen und Schutzumschlag. Im zurückliegenden Jahr war es mir endlich möglich, den Klassiker Achter Glas von Joan van der Keuken in der ersten Auflage (1957) zu erwerben. Wirkt ganz anders als die broschierte, ohne die aktzentuierenden Zusatzfarben gedruckte zweite Auflage von 1961. Sie merken, dass ich Fotobücher aus der Zeit um 1960 besonders mag: goldene Jahre sozusagen, siehe William Klein, Robert Frank, Dirk Alvermann und und und… Dementsprechend lese ich lieber Blogs über alte (und neue) Bücher als nur über Neuerscheinungen, zum Beispiel die anschaulichen Texte von Hermann Lohss wie den über das rumänische Paris-Buch von Hedy Löffler. 2014 fielen mir außerdem zwei neue Blogs auf, nämlich Polishphotobook von Adam Mazur und Lukasz Gorczyca als Einstieg in die unbekannte Welt polnischer Fotobücher (spannend selbst dann, wenn man kein Polnisch lesen kann!) und Achtung Photography mit ausgewählten, sehenswerten, kurz erläuterten Beispielen aus der Bibliothek von Andreas Bitesnich.

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Michael Schade (1964-2004) war ein Fotograf, dessen Werk gerade in Leipzig mit einer Ausstellung gewürdigt wird. Schades lesenswertes Tage-Buch kam erst zehn Jahre nach seinem Tod bei Spector heraus und erregte Aufmerksamkeit. Trotzdem ein Geheimtipp blieb jedoch Michael Schades einziges zu Lebzeiten erschienenes Fotobuch Counting Waves aus dem Jahr 1997. Noch immer ist es beim Verlag lieferbar, ungewöhnlich für einen solches Meisterwerk, das, vielleicht bis auf die Gestaltung des Einbands, in jeder Beziehung überzeugt. Der ewig rastlose Fotograf thematisierte darin sein Reisen durch die Welt, ein Dokument des Suchens, nicht des Findens.

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Zur Ausstellung der Abschlussarbeiten der diesjährigen Absolventen der Kasseler Kunstakademie war ich nicht gegangen, weil ich hoffte, dorf auf Fotobücher zu stoßen. Diese Erwartung wurde jedoch auf überraschende Weise enttäuscht, denn Thilo Jenssen hatte zu seiner Rauminstallation auch eine unprätentiöse, preiswert produzierte Begleitbroschüre gestaltet, die Bilder zum Thema „Stabile Seitenlage“ (man erinnere sich an den Erste-Hilfe-Kurs im Rahmen der Führerscheinprüfung…) enthält. Die Bilder im Heft haben eine irritierende Mehrdeutigkeit, denn zwischen einer Anleitung zum Helfen und einer Darstellung von Opfern liegt nur ein schmaler Grat, den Jenssen bewusst nicht zu einer Autobahn der Eindeutigkeit ausgebaut hat (der Text im Heft leidet an Kuratorendeutsch, im Kunstkontext wohl unvermeidlich).

Sumo…

Sumobücher…

Moskva, Packpapier unter dem Schutzumschlag…

Packpapier unter dem Schutzumschlag…

Was fiel sonst noch auf? Der Jubiläumskatalog des Verlages Schirmer Mosel enthielt eine Ehrentafel mit den Namen der während 40 Jahren Verlagstätigkeit verstorbenen Autoren. Gravitätisch. Bei Taschen gibt es ein neues Buch von Annie Leibovitz im schwergewichtigen Sumo-Format, das eines eigenen Stativs bedarf, um der Überlastung von fragilen Coffee-Tables vorzubeugen. Keine Frage der Gravität, sondern der Gravitation. Ein Kuriosum erreichte mich mit der individuellen Ausstattung eines Exemplares des Buches Moskva von Karel Neubert und Jana Neubertová (1965). Denn es kam mit einem Zusatzumschlag aus Packpapier UNTER dem farbigen Schutzumschlag! Man sollte meinen, dass die Schichtung eigentlich umgekehrt sein müsste, weil der Schutzumschlag des Schutzes bedürft hätte, aber gut, der Vorbesitzer hat das wohl anders gesehen.

Mr. Parr and Mr. Badger performing in Bristol, 6.6.2014

Mr. Parr and Mr. Badger performing in Bristol, 6.6.2014

Kommen wir schließlich noch zum Pflichtprogramm im Hinblick auf neue Bücher über Fotobücher. Am wichtigsten darunter war sicherlich der dritte Band von Gerry Badger und Martin Parrs Zusammenstellung The Photobook – A History. Eigentlich sollte es ja bei den zwei früheren Teilen von The Photobook bleiben, aber es gab so viel nachzutragen, dass eine Fortsetzung einfach kommen musste. Man konnte schon vor dem offiziellen Erscheinungstermin die Zahlen der Vorbestellungen bei Amazon ansteigen sehen – die Erwartungen waren also hoch. Es gab aber keinen Grund zur Eile mit der Publikation, sodass es unverständlich ist, warum sich in diese Erweiterung des Kanons einige ärgerliche sachliche Fehler eingeschlichen haben, die man durch ein sorgfältigeres Korrekturlesen leicht hätte vermeiden können. Gleich nach der Veröffentlichung von Teil III sprachen die beiden Autoren von den vielen Büchern, die sie auch dieses Mal nicht berücksichtigt hätten oder über die sie sich nicht einigen konnten (Vorträge in Bristol und in der Tate London).

The Photobook III: Vorbestellungen am 5.3.2014

The Photobook III: Vorbestellungen am 5.3.2014

Genug Fotobücher gibt es ja, und das Wissen darüber nimmt laufend zu. Das sich, so der Wunsch eines Händlers, angesichts von The Photobook III „in heller Aufregung“ befindende Publikum wird mit neuen Ideen für die eigene Sammlung versorgt, der Wissenschaft werden neue Perspektiven eröffnet (wenn man damit anfangen wollte, sich auf die laufend komfortabler werdende Materiallage einzulassen. Die Bücher über Fotobücher können dabei nur als Einstieg dienen, denn die Forschung sollte tunlichst an den Originalen sich vollziehen). Die Händler hatten für die Jagd auf die Bücher aus Band III umgehend für ein entsprechendes Angebot gesorgt. Hoffentlich täuscht mein Eindruck, dass Euphorie nicht wirklich entstanden ist, vor allem für ältere Bücher scheint das Interesse überschaubar geblieben zu sein. Sind die Sammler, Fotografen und sonstigen Interessierten durch den laufend erweiterten Fotobuchkanon erschöpft und ratlos? Was macht eigentlich diesen „Kanon“ aus?

Gegen eine eher pessimistische Einschätzung der Marktlage spricht das Ergebnis der Auktion, die Ader Nordmann im November 2014 mit dem ersten Teil einer großen privaten Fotobuchsammlung in Paris veranstaltete. Vor allem der große Bestand an signierten Büchern von Henri Cartier-Bresson wurde fast vollständig und zu teilweise deutlich die Taxe übertreffenden Preisen zugeschlagen; bei der Qualität des Angebots allerdings keine Überraschung. Aber auch die anderen Lots wurden gut verkauft; im Windschatten der Spitzenwerke fand mehr als Hälfte aller Angebote neue Besitzer. Einlieferer und Auktionshaus dürften mit dem Resultat zufrieden gewesen sein. Vielleicht würde diese Erfahrung von einem Anbieter bei Ebay geteilt, der ein Buch mit Fotomontagen von Zofia Rydet u.a. mit diesem sprechenden Bild bewarb: Seht her, ist bei Auer erwähnt! Bemerkenswert ist der zerlesene Zustand des gezeigten Exemplars dieses nicht ganz so prominenten und in mancherlei Hinsicht diskussionswürdigen Referenzwerks.

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Weitere Bücher über Fotobücher erschienen zum Thema Japan (siehe oben) und Spanien (von Horacio Fernandez sorgfältig ausgewählt und beschrieben). Der angekündigte, inhaltlich längst fertige zweite Band von Roland Jaeger und Manfred Heitings Autopsie wurde zwar – endlich – im Herbst 2014 gedruckt, wird aber vor Weihnachten nicht mehr ausgeliefert. Nur der Verlag weiß, warum… Das seriös recherchierte und üppig bebilderte Standardwerk zu fast allen Fragen deutschsprachiger Fotobücher aus der Zeit zwischen den Weltkriegen wäre nach Erscheinen fast komplett – es fehlte jetzt nur noch die Datenbank mit Detailinformation zu einzelnen Büchern. Wer den ersten Band noch nicht hat, kann einen Schuber mit beiden Teilen zu einem Sonderpreis erwerben. Eine Rezension des Buches wird der Kasseler Fotobuchblog später nachliefern. Nebenbei: Als Supplement zu Autopsie 2 hatte Roland Jaeger bereits Ende 2013 ein detailliertes Register zum Jahrbuch Das deutsche Lichtbild vorgelegt.

Manfred Heiting mit dem ersten Exemplar von Autopsie, Band 2 (Kassel, 21.11.2014)

Manfred Heiting mit dem ersten Exemplar von Autopsie, Band 2 (Kassel, 21.11.2014)

Auch der von Hans-Michael Koetzle konzipierte Ausstellungskatalog Augen auf! zum 100. Geburtstag der Leica ist in gewisser Weise ein Buch über Fotobücher, sind doch viele der Illustrationen aus Fotobüchern entnommen und das Thema „leicafotografischer“ Fotobücher wird auch in den Textbeiträgen behandelt. Im Ausstellungskatalog Chargesheimer. Die Entdeckung des Ruhrgebiets stehen die Fotos im Mittelpunkt, die Chargesheimer u.a. für das Buch Im Ruhrgebiet (1958) aufgenommen hat. Es werden darüber hinaus aber auch viele andere Fotobücher und Bildbände über das Ruhrgebiet vorgestellt. Ausstellungskatalog des Jahres ist freilich eine Sonderausgabe der Süddeutschen Zeitung, erschienen am 21.11.2014 zur Eröffnung der Ausstellung mit Arbeiten von Robert Frank in München. Ausstellung und Zeitung unterlaufen alle Mechanismen des Marktes: Die Bilder werden nach der Präsentation entsorgt, der gedruckte „Katalog“ ist mit 2,60 € preiswert, durchaus informativ und enthält einige Bilder sogar im Posterformat. Die Drucksache entstand nach einer Idee von Franks Verleger Gerhard Steidl.

Robert Frank

Robert Frank

Manifeste

Manifeste!

Zwei weitere Publikationen über Fotobücher bzw. Fotopublikationen fallen durch ihre originelle Konzeption und Gestaltung auf: zum einen Manifeste! Eine andere Geschichte der Fotografie, ein von Helmut Völter in bemerkenswerter, zum Mitdenken anregender Weise in Form gebrachter Begleitband zu einer Ausstellung über programmatische Texte zur Fotografie. Zum anderen die Katalogbox zum Kölner PhotoBookMuseum, die wir schon an anderer Stelle ausführlich gewürdigt hatten. Mitte 2015 wird ein weiteres fulminantes, üppig illustriertes Buch über Fotobücher erscheinen, nämlich die ins Englische übersetzte und erweiterte Arbeit von Michail Karasik über russische Fotobücher aus der Zeit des Stalinismus, herausgegeben und gestaltet von Manfred Heiting. Auch Martin Parrs Buch über chinesische Fotobücher ist für 2015 angekündigt.

Nachdem in 2014 die beiden Fotobuchfestivals in Bristol und Wien an aufeinanderfolgenden Wochenenden über die Bühne gingen, wird sich dieses Termingedränge 2015 nochmals steigern, denn im Juni werden gleich drei Fotobuchfestivals und die Fototriennale in Hamburg zum Besuch einladen: Kassel (4.-7.6.), Bristol (12.-14.6., der Vorverkauf für das familiäre Event hat bereits begonnen!), Wien (20.-21.6.) und die Fototriennale Hamburg (18.-28.6.).

Say cheese... Martin Parr in Hannover, 17.10.2014

Say cheese… Martin Parr in Hannover, 17.10.2014

Aus dem Buch von Roger Eberhard: Mr. Parr looking in books in Kassel…

Aus dem Buch von Roger Eberhard: Mr. Parr looking at books in Kassel…

Ich bleibe in Kassel und fahre vielleicht nach Bristol – jedenfalls würde ich mich freuen, Sie hier oder dort begrüßen zu können. Der Vorverkauf  für Say Cheese!, ein besonderes Event in Kassel, läuft bereits, ein Essen mit Martin Parr, zubereitet nach Bildvorlagen des Fotografen von seiner Tochter. Das vergangene Festival in Bristol und die Eröffnung seiner großen Ausstellung in Hannover haben es gezeigt: Martin Parr ist ein großartiger Unterhalter, wovon alle Besucher in Kassel und Bristol profitieren werden. Ein wenig Festivalstimmung transportiert schon das Bändchen Martin Parr looking at Books von Roger Eberhard. Es handelt sich um ein kleines Künstlerbuch mit Schnappschüssen, die Mr.Photobook himself beim Blättern in Büchern zeigen – aufgenommen u.a. auf den Fotobuchfestivals in Kassel und Bristol.

Soweit dies. Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Kasseler Fotobuchblogs wünschen Ihnen alles Gute für das nächste Jahr. Bilden Sie sich im Fotobuchdschungel Ihre eigene Meinung und bleiben Sie uns gewogen, auch wenn wir uns aus Zeitgründen vom regelmäßigen Erscheinen der Beiträge im Kasseler Blog, bislang immer samstags gegen Mittag, wieder verabschieden müssten.

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PS Wirklich bemerkenswert ist es, dass mit Michael Eckel ein Mann vom Fach ausgerechnet im mit Buchhandlungen und Antiquariaten gut versorgten Kassel ein neues Ladenantiquariat mit Büchern zu Kunst, Architektur und Fotografie aufmachen wird. Natürlich bleibt er auch im Internet präsent, aber die Aussicht, dass es in Kürze bei mir um die Ecke, nicht weiter weg als Bäcker und Metzger, ein echtes Fachgeschäft gibt, stimmt optimistisch!

 

 

Die erwähnten Bücher in (etwa) der Reihenfolge ihres Erscheinens:

Joan van der Keuken (Fotos und Gestaltung), Remco Campert (Text), Achter Glas, Amsterdam: de Boer 1957, Ln mit SU (1.Aufl.), Hilversum: de Boer 1961, Softcover (2.Aufl.)

Karel Šebík (Fotos, Text), Muž mnoha tváří, Praha: Svět Sovětů, 1959, Gestaltung Antonin Kodeda, Ln mit SU, Auflage 8000

Alexej Kusák (Text), Ervin Jiricek (Gestaltung), Jak zpívá racek – Kniha fotografii z Jižních Čech, České Budějovice: Krajské nakladatelství, 1962, Ln mit SU und Übersetzungsbeilage

Karel Neubert/Jana Neubertová, Moskva, Praha: Svět Sovětů, 1965, deutsche Ausgabe: Moskau, Prag: Artia, 1965, Gestaltung: Jaroslav Svab, Ln mit SU und Schuber

Bohumil Hrabal (Text), Miroslav Peterka (Fotos), Toto město je ve společné péči obyvatel, Praha: Československý spisovatel, 1967, Gestaltung Oldrich Hlavsa, Ln mit SU, Auflage 15000 – Neuauflage Praha: Paseka, 2006, Hc mit SU

Aleksandr Viktorovič Gidirimskij, Gagra, Moskva: Planeta, 1971 (aus der Reihe: Po kurortam strany = Die Ferienorte des Landes), Hc (laut KVK mit mehrsprachiger Beilage mit den Bildlegenden), Auflage 50000

Jiří Všetečka (Fotomontagen), Premysl Veverka (Text), Síla paměti, Praha: Albatros ,1980, Gestaltung Milan Grygar, Ln mit SU, Auflage 12000

Michael Schade, counting waves, Berlin: Brinkmann & Bose, 1997, Gestaltung Markus Dreßen, Hc

Roland Jaeger, Index zum fotografischen Jahrbuch Das Deutsche Lichtbild 1927 − 1938. Fotografen/Autoren/Inserenten, Berlin: (Privatdruck), 2013, Hc, Auflage 300

10 x 10 American Photobooks, hg. v. Matthew Carson/Russet Lederman/Olga Yatskevich, New York: 10 x 10 Photobooks/ICP, 2013, Gestaltung Victor Sira/Shiori Kawasaki, Sc mit Obi und Inserts, Auflage 500

10 x 10 Japanese Photobooks, hg. v. Matthew Carson/Michael Lang/Russet Lederman/Olga Yatskevich, New York: 10 x 10 Photobooks/ICP, 2013, Gestaltung -SYB-, Hc, Auflage 400

Gerry Badger/Martin Parr, The photobook: a history, Part 3, London: Phaidon, 2014, Hc mit SU

Thilo Jenssen, Stabile Zustände. Eine Kompilation mit 17 Abbildungen, Kassel: (Eigenverlag), 2014, Text von Mathis Bicker, Auflage 5 Exemplare (!?), Sc

Horacio Fernandez (Hg.), photobooks Spain 1905-1977, Barcelona/Mexico: RM, 2014, Hc mit Obi

The PhotoBookMuseum Catalogue Box, hg. v. Markus Schaden, Frederic Lezmi, Dortmund: Kettler, 2014, Gestaltung Kummer & Herrman, Box mit 33 Blättern/Broschüren, Auflage 1000

Manifeste! Eine andere Geschichte der Fotografie, herausgegeben vom Museum Folkwang Essen und vom Fotomuseum Winterthur, Göttingen: Steidl, 2014, Gestaltung Helmut Völter, Sc

Roger Eberhard, Martin Parr looking at Books, Zürich: B.Frank Books, 2014, Sc

Hans-Michael Koetzle (Hg.), Augen auf! 100 Jahre Leica, Heidelberg: Kehrer, 2014, Gestaltung Detlev Pusch, Hc mit Obi

Chargesheimer. Die Entdeckung des Ruhrgebiets, hg. v. Heinrich Theodor Grütter/Stefanie Grebe, Köln: Verlag der Buchhandlung Walther König, 2014, Hc

Robert Frank. Books and Films, 1947 – 2014, Süddeutsche Zeitung, 70.Jg./47.Woche, 21.11.2014. In Zusammenarbeit mit Steidl entstandene Publikation zur Ausstellung in München, Akademie der Künste (22.11.-21.12.2014). Format, Anmutung und Druck wie bei der Süddeutschen Zeitung.

Manfred Heiting/Roland Jaeger (Hg.), Autopsie. Deutschsprachige Fotobücher 1918−1945, Band 2: Göttingen 2014, Gestaltung Manfred Heiting, Hc

 

* Titelzitat: Fundstück bei Ebay, November 2014

Fotos: Sumo, Auer/Rydet = beides Fundstücke im www, ansonsten von Th. Wiegand

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