Makabrer Totentanz

Mit Volker Derlath auf dem Oktoberfest

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Volker Derlath hat 35 Jahre lang die Exzesse auf dem Oktoberfest dokumentiert, woraus ein Fotobuch entstanden ist, dass tief blicken lässt. Die Fröhlichen, Kaputten, Derangierten, Betrunkenen, Enthemmten, Ohnmächtigen, all die Weggetretenen, Ausgelassenen, hemmungslos Feiernden und sich Entblödenden: Hier bin ich Mensch, hier darf ich‘s sein. Und das ist nicht immer nur schön anzusehen, sondern auch lustig und bisweilen auch etwas schockierend – aber nur ein bisschen, denn unser voyeuristisches Ego liebt es sehr, wenn sich andere für uns zum Deppen machen. Vorhang auf, Bühne frei für das Oktoberfest, das alljährlich Hundertausende zum Massenbesäufnis nach München lockt.

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Volker Derlath, in München verwurzelt, ist einer von ihnen, einer, der die Maß ebenso schätzt wie die Kamera, mit der er aus geringer Distanz und grellem Blitz seinen „Opfern“ nicht selten ziemlich unverfroren ins Gesicht schießt. Derlath war von 1984 (damals knapp 20 Jahre alt) bis 2019 Stammgast auf dem Oktoberfest. Mittlerweile, nach zwei Jahren des Lockdowns wird „der begeisterte Biertrinker“ (Vorwort) es wieder gewesen sein. Wir hoffen, dass er ohne Blessuren davongekommen ist, nicht jeder mag es, in verfänglichen Situationen abgelichtet zu werden. Vielleicht vergeht manchem das Lachen, sollte er sich hier wiedererkennen.

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Das Buch hat es zurecht auf die Shortlist des Deutschen Fotobuchpreises 2022 geschafft. Es ist eine fotografische Sozialstudie in Schwarzweiß zum Thema „kollektiver Rausch“, sieht man doch, wie Leute jeglichen Alters im Vollsuff ihrer Würde verlustig gehen. Worte bedarf es keiner. Mit einem einfachen, wenngleich sehr wirkungsvollem Trick hat er das Groteske noch gesteigert, indem er den Derangierten immer mal wieder die Gruselfiguren aus den Geisterbahnen gegenüberstellt. So wird aus der feuchtfröhlichen Wiesn-Party ein makabrer Totentanz der Alk-Zombies.

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Der Band reiht sich ein in vergleichbare Fotobücher der letzten Zeit, allen voran Hechenblaikners Ischgl, das zu Beginn der Pandemie Furore machte. Und ja: Auch Turit Fröbes Eigenwillige Eigenheime oder Ulf Soltaus Gärten des Grauens könnten (obwohl gestalterisch überhaupt nicht zu vergleichen) in derselben Ecke stehen, geht es doch immer um die Fehltritte der anderen.

 

  • Titel: Oktoberfest 1984-2019
  • Untertitel: 
  • Bildautor: Volker Derlath
  • Textautor: Christian Topp
  • Herausgeber: 
  • Gestalter: Lars Harmsen, Florian Brugger
  • Verlag: Slanted
  • Verlagsort: Karlsruhe
  • Erscheinungsjahr: 2021
  • Sprache: deutsch, englisch
  • Format: 27,7 x 21,4 cm
  • Seitenzahl: nicht paginiert (208)
  • Bindung: Illustriertes Hardcover
  • Preis: 39,80 Euro
  • ISBN: 978-3948440282

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